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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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großen Hut zum Schutz vor der Sonne auf dem Kopf, einen Strohkorb am Arm und eine Gartenschere in der Hand, mit der sie Verblühtes abschnitt und Wildtriebe an den
Rosen kappte. Eine ruhige, angenehme Beschäftigung, der Wetterlage angemessen.
    Sie überleben alles, Mrs . Shaye!
    Sie wußte, daß sie den Ruf hatte, unverwüstlich zu sein und sich von nichts und niemandem unterkriegen zu lassen, und manchmal wunderte sie sich über die Hartnäckigkeit, mit der ihre Umgebung an dieser Überzeugung festhielt. Sie selbst fühlte sich nicht einmal halb so stark, wie das die Menschen ringsum offensichtlich von ihr dachten. Eher hatte sie den Eindruck, daß es ihr geglückt war, einen recht stabilen Panzer um sich herum zu errichten, der allem standhielt, was von außen herandrängte, und der vor allem ihr Innenleben vor neugierigen Blicken schützte. Dort gab es, so meinte sie von Zeit zu Zeit zu spüren, noch eine Reihe Wunden, die bis heute nicht aufgehört hatten zu bluten. Das Gute war, daß offenbar wirklich niemand sie zu entdecken vermochte.
    Sie schnippelte rasch und geübt an ihren Rosen herum, allerdings ohne ein einziges Wort an sie zu richten. Ihr Vater hatte immer mit den Rosen gesprochen und behauptet, dies sei außerordentlich wichtig.
    »Sie sind Lebewesen. Sie brauchen Zuwendung und das Gefühl, ernst genommen und gemocht zu werden. Sie spüren genau, wenn man es gut mit ihnen meint, ihren Charakter, ihre Wesenszüge und Eigenarten respektiert. Und genauso merken sie es, wenn du sie herablassend und gleichgültig behandelst.«
    Als kleines Mädchen hatte Beatrice diesen Worten andächtig gelauscht und keine Sekunde lang an ihrer Richtigkeit gezweifelt. Aber Andrew Stewart, ihr Vater, war für sie sowieso gleich nach dem lieben Gott gekommen, und es gab schlechthin nichts auf der Welt, was sie ihm nicht gläubig abgenommen hätte. In gewisser Weise war sie auch heute noch der Ansicht, daß er recht gehabt hatte, aber sie hatte seine Worte nie umsetzen können. Irgendwann, in den harten Jahren des Krieges und in den schweren Zeiten danach, war ihr die Fähigkeit abhanden gekommen, seine gemütvolle, sanfte und von einer echten Liebe zur Schöpfung durchdrungene Art zu leben für sich selbst zu übernehmen. Andrew war zu verletzbar gewesen, und das konnte und wollte sie sich nicht leisten. Und irgendwie wurde sie die Vorstellung nicht
los, daß ein Mensch, der mit den Rosen sprach, dem Leben die Breitseite zum Angriff bot. Es mochte eine fixe Idee sein, ein Vorurteil, nicht zu belegen, aber es bewirkte, daß sie nicht in der Lage war, auch nur ein einziges Wort an ihre Rosen zu richten. Sie hatte es seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr fertiggebracht. Eine Ahnung sagte ihr, es werde einem Dammbruch gleichkommen, wenn sie es tat.
    Als Helene vom Haus her rief, Beatrice möge ans Telefon kommen, war sie dankbar für die Gelegenheit, ein paar Minuten lang der immer drückender werdenden Hitze zu entkommen.
    »Wer ist es denn?« fragte sie, als sie in den Flur trat. Helene, inzwischen mit einem rosafarbenen seidenen Morgenmantel bekleidet, stand vor dem Spiegel und hielt den Telefonhörer in der Hand.
    »Es ist Kevin«, sagte sie, »er möchte dich etwas fragen.«
    Kevin züchtete ebenfalls Rosen, stand aber im Unterschied zu Beatrice noch mitten im Geschäftsleben. Er war achtunddreißig Jahre alt und schwul, und er hing mit einer rührenden Zuneigung an den beiden alten Damen aus Le Variouf. Seine Gärtnerei lag zwanzig Autominuten entfernt an der Südwestspitze der Insel.
    Kevin rief oft an; er fühlte sich häufig einsam und hatte es zu einer wirklich intakten, stabilen Partnerschaft noch nicht gebracht. Seine langjährige Beziehung zu einem jungen Mann namens Steve war gerade zerbrochen, sein gleichzeitig verlaufendes Verhältnis zu einem etwas zwielichtigen Franzosen bestand ebenfalls nicht mehr. Im Augenblick schien es niemanden für ihn zu geben. Guernsey bot wenig Möglichkeiten für Homosexuelle. Kevin träumte davon, eines Tages nach London zu ziehen und dort den »Mann fürs Leben« zu finden - wobei jeder, der ihn kannte, wußte, daß Kevin seine Insel nie verlassen würde. Und für das rauhe Leben in einer Großstadt war er schon gar nicht geschaffen.
    Beatrice nahm Helene den Hörer aus der Hand. »Kevin? Was gibt’s? Findest du nicht auch, daß es heute viel zu heiß ist zum Arbeiten?«
    »Ich kann es mir leider nicht leisten, auch nur einen Tag blauzumachen, das weißt du ja«, sagte

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