Die roten Blüten der Sehnsucht
gesagt. » Vielleicht bekommst du Erklärungen. Zumindest einen Teil.«
Jetzt, hier im kahlen, ungemütlichen Besucherzimmer wäre sie am liebsten wieder nach draußen gerannt. Ihr Herz begann heftig zu klopfen, als sich Schritte näherten. Eine der Krankenschwestern öffnete die Tür und schob eine in grobes Leinen gekleidete Gestalt vor sich her. Im ersten Moment erkannte Dorothea sie nicht und glaubte schon an einen Irrtum. Die vierschrötige Frau grüßte kurz, ehe sie ihre Patientin zu dem Stuhl an der Wand führte und dort ihre Knöchel mit Lederfesseln an den Stuhlbeinen fixierte. » Man weiß bei denen nie«, erklärte sie, als sie Dorotheas Entsetzen bemerkte. » Ehe man sich’s versieht, sind sie einem schon an die Kehle gegangen.«
» Das dürfte mir schwerfallen, Schwester.« Ein Aufblitzen der alten Catriona. Dorothea sah sie genauer an. Sie hatte nicht etwa die Arme verschränkt, sondern sie steckten in Ärmeln, die hinter ihrem Rücken zusammengebunden waren.
» Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.– Klopfen Sie laut an die Tür, wenn Sie rauswollen, Ma’am.« Nach diesen Worten stapfte die Frau hinaus, wobei ihr Schlüsselbund laut rasselte.
» Ich fühle mich geehrt, dass du dir die Zeit nimmst, mich zu besuchen«, sagte Catriona schließlich. » Was willst du? Dich an meinem Anblick weiden? Das muss wahrlich ein Triumph für dich sein.« Sie zog eine höhnische Grimasse. Mit den kurz geschorenen Haaren wirkte sie merkwürdig jung. Jung und sehr verletzlich.
Dorothea schüttelte den Kopf. » Nein, deswegen nicht. Ich wollte ein paar Antworten, die nur du mir geben kannst.«
» Antworten?« Catriona lächelte verhalten. » Dann frag.«
» Wie hast du Lady Chatwick getötet? Und warum?«, platzte Dorothea heraus. Im selben Atemzug hätte sie die Frage gerne wieder zurückgenommen. Wollte sie es wirklich wissen?
» Mit ihrem Kissen. Es war ganz einfach. Warum? Hm, die alte Hexe hat versucht, mich zu erpressen.«
» Womit denn?« Dorothea konnte sich die alte Dame beim besten Willen nicht als Erpresserin vorstellen.
» Mit meinem Giftring. Sie hatte bei mir herumgeschnüffelt und sofort erkannt, worum es sich dabei handelte.« Catriona nickte. » Ja, sie war echt schlau. Aber nicht schlau genug. Sich allein mit mir zu treffen, war dumm. Und es war auch nicht besonders fantasievoll, alles aufzuschreiben und in ihrer Bibel zu verstecken, wo jeder wusste, dass dort zuerst nachgesehen würde.«
Lady Chatwick hatte eben leider keine Erfahrung mit echten kriminellen Elementen, dachte Dorothea bedauernd. Aber immerhin war sie schlau genug gewesen, um einen Zettel zu schreibe n und ihn in ihrer Bibel zu verstecken. » Was wollte sie von dir?«
» Dass wir sofort abreisten.«
» Das erscheint mir ziemlich billig. Warum habt ihr das nicht getan?«
Catrionas Auflachen klang bitter. » Wovon denn? Wir haben keinen Penny eigenes Geld. Das Geld, das Onkel Hugh uns für die Rückfahrt mitgegeben hatte, hat Percy verspielt. So viel zu seinen Künsten am Kartentisch.«
» Ihr hättet Ian bitten können. Er hätte es euch sicher gegeben.«
» Ja, sicher. Und dann? Alles wäre umsonst gewesen.«
» Du meinst, eure Versuche, Ian zu ermorden?«
» Das wollten wir eigentlich gar nicht.« Catriona sah Dorothea direkt ins Gesicht. » Wir hatten ursprünglich bloß vor, einen Keil zwischen euch zu treiben. Wenn Ian sich von dir hätte scheiden lassen und mich geheiratet hätte, wäre alles in Ordnung gewesen. Niemand hätte sterben müssen. Aber es hat nicht funktioniert.«
Nein, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatten. Nur zu gut erinnerte Dorothea sich an Catrionas falsches Mitgefühl, als sie ihr ihre Ängste anvertraut hatte, dass Ian sie betrog.
» Ich bin nicht dumm«, fuhr Catriona fort. » Ich habe schnell begriffen, dass dieser Plan nichts taugte.«
» Also habt ihr begonnen, Ian zu vergiften?«
Catriona nickte. » Für alle Fälle hatte ich einen Vorrat Arsenik eingepackt. Ein äußerst nützliches Gift.«
» Hast du wirklich deine eigene Mutter…?« Dorotheas Zunge weigerte sich, die Worte auszusprechen.
» Nein, das war mir zu unsicher. Das Kissen war schneller und sauberer.«
Sprachlos vor Entsetzen spürte Dorothea, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Was für einem Monster saß sie gegenüber?
» Schau nicht so entgeistert«, sagte Catriona spöttisch. » Sie war ständig kränkelnd. Ich habe ihr Leiden bloß verkürzt. Sie sprach sowieso den ganzen Tag
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