Die roten Blüten der Sehnsucht
diese Art zurück zu ihrer Familie nach Devon zu kommen, und hatte keine Einwände gehabt, bei ihren Schützlingen zu schlafen. Vicky, hatte Gouverneur Young entschieden, durfte bis zu einer endgültigen Entscheidung als Pflegetochter bei ihnen bleiben. Nachdem sich kein Verwandter gemeldet hatte, wäre sie sonst ein Fall für die Waisenfürsorge gewesen. Diese Erwägung hatte dem sparsamen Staatsdiener die Entscheidung leicht gemacht.
» So, Mrs. Rathbone– auf unseren letzten Abend in Australien.« Er hatte eine Flasche Burgunder entkorkt und mit ihr angestoßen, ehe er sie so leidenschaftlich liebte, wie es in der Beengtheit der Koje nur möglich war. In der Morgendämmerung weckte sie der Lotse, der unter lautem Rufen an Bord kam. Fast unmerklich nahm das Schiff Fahrt auf. Vorsichtig, um Ian nicht zu wecken, schlüpfte Dorothea aus der Koje und stellte sich an die Luke, um einen letzten Blick auf Australien zu werfen.
Gerade stieg die Sonne über den Horizont. Alles schien zu glühen: die Mangroven, der Nebel über dem Brackwasser, selbst die weißen Kakadus, die aufflatterten, wenn das Schiff ihnen zu nahe kam, schienen nicht weiß, sondern blutrot. Ian war hinter sie getreten, umschlang sie mit den Armen.
» Werden wir zurückkommen?«, flüsterte Dorothea. » Bitte, Ian, versprich mir, dass wir eines Tages hierher zurückkommen werden.«
» Ich verspreche es«, sagte er schlicht. » Die Jahre auf Eden House waren die schönsten meines Lebens. Das Haus mag zerstört sein, aber die Bilder in unseren Herzen sind unauslöschlich.– Schau, das habe ich letzte Woche einem alten Aborigine abgekauft.« Er hielt ihr eine kunstvoll aus Grashalmen geflochtene Schachtel hin.
Dorothea öffnete sie und sah befremdet auf den Inhalt: ein Potpourri aus feuerroten Blüten und diversen anderen Pflanzenteilen, von denen ein zarter Duft aufstieg.
» Es ist ein Zauber«, erklärte Ian und lächelte. » Wenn wir ihn immer bei uns tragen, wird er uns nach Australien zurückführen.– Natürlich erst, sobald die Geister es für angebracht halten«, fügte er hinzu und grinste breit. » Um die Bedingungen zu erfüllen, habe ich dir ein Medaillon anfertigen lassen und mir einen Uhrenanhänger.« Mit einem Finger berührte er vorsichtig die getrockneten, raschelnden Blumen. » Wir müssen ja niemandem erzählen, dass wir an solchen Hokuspokus glauben.«
» Ian, du bist wunderbar.« Dorothea wischte sich über die Augenwinkel. » Es gibt sicher keinen anderen Mann, der auf solche Ideen kommt. Ich liebe dich!«
Geschichtlicher Hintergrund für » Die roten Blüten der Sehnsucht «
Als im Jahr 1836 die S. A. C.– South Australian Company– das Gebiet in Besitz nahm, das heute der Bundesstaat South Australia umfasst, war es keineswegs Terra nullius – Niemandsland–, wie es juristisch definiert wurde, um es » rechtmäßig« vermessen, parzellieren und verkaufen zu können.
Im Gegenteil: Die damalige indigene Bevölkerung wird auf mindestens zehntausend Individuen geschätzt, die sich in dreiundvierzig Stämme unterteilten.
Der untere Murray River sowie der Coorong zählten wegen der guten Nahrungsressourcen in voreuropäischer Zeit zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Australiens. Die Ngarrindjeri, die hier lebten, galten als wild und gefährlich. Einer der frühen Entdecker, Captain Collett Barker, ist bei einer Expedition am Murray Mouth von ihnen getötet worden. Auch das » Maria-Massaker« wurde von einem Ngarrindjeri-Stamm aus dem Gebiet des Lake Albert verübt. Dabei kamen zwei Dutzend Weiße, deren Schiff havariert war und die sich auf dem Fußweg nach Adelaide durchschlagen wollten, ums Leben. Obwohl die damaligen diversen Such- und Strafexpeditionen bestens dokumentiert und archiviert sind, bleibt rätselhaft, was die Aborigines zu einem derartigen Gewaltausbruch motivierte.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ebenen von Schafzüchtern okkupiert, die Viehtriebe erfolgten zunehmend an der Küste entlang, und auch die Postroute sowie die Eisenbahnlinie verliefen dann durch Ngarrindjeri-Gebiet. Infektionskrankheiten führten auch hier zu einer starken Dezimierung der indigenen Bevölkerung.
1842 wurde die Zahl der Schafe in Südaustralien auf zweihundertfünfzigtausend geschätzt. 1843 schon auf über dreihundertdreißigtausend. Zählungen in den folgenden Jahren belegen einen rapiden Anstieg der Herden und einen entsprechenden Landverbrauch: 1845– 480 669 Schafe, 1847– 784 811, 1850– 984
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