Die roten Blüten der Sehnsucht
hatte tatsächlich nicht darauf geachtet. Bei all den Aufregungen kein Wunder. Aber typisch für Ian, dass es ihm nicht entgangen war.
» Wie lange weißt du es schon?«
» Ein paar Tage.« Ihr Mann lächelte und berührte zärtlich ihre Brüste. » Gewisse Teile deiner Anatomie haben es mir verraten.«
» Dann wird unser nächstes Kind auf Embersleigh zur Welt kommen.« Dorothea strich in einer unbewusst schützenden Geste über ihren noch völlig flachen Bauch.
» Soll ich die Reise absagen? Wenn es dir lieber ist, können wir die Geburt hier abwarten.«
» Und dann mit einem Säugling die Reise machen? Nein, besser so.« Dorothea seufzte leicht. » Es wird ja wohl englische Kindermädchen geben. Wenn sie auch kaum so gut wie Trixie sein können.«
» Das dürfte ihnen schwerfallen.– Bist du sicher?«
» Vollkommen. Ich freue mich schon auf England.«
Die zwei Wochen bis zur Abreise vergingen viel zu schnell. Schließlich musste Roberts gesamte Ausstattung für das St. Peter’s College neu angefertigt werden. Es war ja alles verbrannt. In Anbetracht der Umstände war Dorothea dem Schulleiter ausgesprochen dankbar, dass er ihnen einen Schneider empfahl, der nicht nur Robert, sondern auch Ian mit der benötigten Kleidung versorgen konnte. Ein Gentleman von ungefähr seiner Größe hatte mehrere Anzüge sowie die entsprechenden Garnituren bestellt, dann jedoch nicht bezahlen können.
» Es ist zwar nicht ganz mein Stil«, meinte Ian zu den extravaganten Anzügen aus gestreiften und karierten Stoffen, » aber in unserer Situation kann man nicht wählerisch sein.«
Um in der kurzen Frist Dorothea und die Kinder mit dem Nötigsten auszustatten, stellte Mutter Schumann drei Frauen an. Lischen und Dorothea waren derweil mit den restlichen Einkäufen beschäftigt. » Nur gut, dass man Strümpfe inzwischen fertig kaufen kann«, stellte Lischen erschöpft fest. » Und Unterröcke und so weiter. Sonst würden wir das nie schaffen! Warum konnte Ian nicht einfach ein späteres Schiff buchen?«
» Weil er unbedingt mit diesem neuen Dampfschiff fahren will. Weißt du noch: August war doch auch ganz hingerissen von dem, das wir damals im Londoner Hafen gesehen haben. Hat uns endlos davon vorgeschwärmt, wie schnell man damit vorwärts käme. Wenn es stimmt, dass man nur noch zweieinhalb Monate auf See ist statt über vier, soll es mir recht sein.«
» Von August haben wir auch lange nichts mehr gehört. Wie es ihm wohl gehen mag?« Lischen klang niedergeschlagen. » Karl und Koar lassen nur selten von sich hören. Und nun bist du auch weg.«
» Du hast doch dann deinen Heinrich! Glaub mir, ein Ehemann entschädigt für vieles.«
» Du musst es ja wissen…« Lischen kicherte und stieß sie übermütig in die Seite. Gleich darauf wurde sie wieder ernst. Fast schüchtern fragte sie: » Wie ist es eigentlich, das Verheiratetsein? Mama zu fragen, habe ich mich nicht getraut.«
Spontan entfuhr Dorothea: » Großartig!« Um gleich darauf einzuschränken: » Es kommt natürlich auf den Ehemann an.« Obwohl– sie hatte auch großes Vergnügen in den Armen von Miles Somerhill empfunden. Fast mehr als mit Robert.
» Du guckst auf einmal so komisch«, sagte ihre Schwester, und es war nicht zu überhören, dass sie beunruhigt war. » Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«
Sollte sie ihr das Anatomiebuch empfehlen, das sie selber damals zurate gezogen hatte? Sie wusste nicht einmal, ob es noch existierte oder längst verkauft war. Nein, entschied sie: Lischen und Heinrich mussten selbst herausfinden, was ihnen zusagte. Wenn sie ihr jetzt den Himmel auf Erden versprach und der sich dann nicht einstellen sollte, würde die Enttäuschung umso größer sein.
» Wenn du deinem Heinrich ehrlich sagst, was dir gefällt und was nicht, wird er einen Weg finden, dich glücklich zu machen«, sagte sie und hoffte, dass sie ihn richtig eingeschätzt hatte.
» Habt ihr das auch so gehalten?«, erkundigte Lischen sich neugierig.
» Hmm…« Dorothea musste ein Lächeln unterdrücken, denn Ian hatte immer besser als sie selbst gewusst, wie er ihr größte Lust bereiten konnte.
Das stellte er in der Nacht vor der Abreise wieder einmal unter Beweis. Sie hatten sich bereits am Abend eingeschifft, weil der Kapitän die Morgenbrise ausnutzen wollte, um in den Golf hinauszusegeln. Nach einem üppigen Dinner hatte das neue Kindermädchen Vicky, Mary und Charles in der Nachbarkabine zu Bett gebracht. Die junge Witwe war froh gewesen, auf
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