Die Rueckkehr
ängstigte ihn. Sie schüttelte den Kopf und blickte ihn warnend an.
»Ich weiß, was im Crater Sink ist, Junge.«
»Was ist im Crater Sink?«
Talitha unterbrach sich wieder, als lausche sie auf etwas. Dann sprach sie weiter.
»Nichts ist im Crater Sink. Nichts wohnt dort.«
So wie sie »Nichts« sagte, klang es wie ein Name.
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß. Deshalb hat Glynis mich geschickt, Rainey. Damit du es besser verstehst.«
»Woher weißt du, wer ich bin?«
Talitha begutachtete ihn eine Weile.
»Ich glaube, tief in deinem Innern bist du auch nur ein Teague. Aber noch nicht ganz. Du bist noch nicht ganz ein Teague. Du hast noch etwas von deiner wahren Mama in dir. Aber sie sind dir auf den Fersen. Ganz dicht.«
»Wer ist mir auf den Fersen?«
»Sie. Abel Teague, der weiterleben will. Nichts hilft ihm.«
Ihm war nun noch enger um die Brust und Tränen traten ihm in die Augen.
»Wie kannst du wissen, dass meine Mutter tot ist?«
»Deine wahre Mama oder deine Stiefmama?«
Das war zu viel für Rainey, aber nicht für Talitha. Sie war gnadenlos.
»Deine wahre Mama war ein verlorenes armes Kind, das gleich nach deiner Geburt von Abel Teague umgebracht worden ist. Sylvia war deine Stiefmama, aber sie hat dich geliebt wie ihr eigenes Kind.«
Jetzt konnte er die Tränen nicht länger zurückhalten.
»Wie kannst du das wissen?«
»Ich weiß es, weil ich es bin, die Anora vor den Spiegel geführt hat, und Anora weiß, wer deine wahre Mutter war. Anora und deine Stiefmutter sind Blutsverwandte. Glynis auch. Glynis hat mich geschickt, damit ich dich warne, weil ein Teil von dir noch kein Teague ist. Deine Mutter war ein gefallenes Mädchen, aber sie hatte etwas Gutes in sich.«
»Wer war sie?«
Talitha unterbrach sich, um wieder dem Wald zu lauschen, dann schüttelte sie den Kopf.
»Dazu haben wir keine Zeit. Ist dir jemals ein Mann namens Second Samuel begegnet, als du im Spiegel warst?«
Sie sagte es mit so einem Unterton, so voller Trauer, Traurigkeit und Sehnsucht, dass Rainey am liebsten gelogen und ja gesagt hätte.
Aber sie wartete nicht, bis er geantwortet hatte.
»Ich werde nie mit meinem Vater auf der Seite des Spiegels zusammen sein können, weil ich etwas Böses getan habe. Aber für dich ist es noch nicht zu spät. Du bist noch kein Teague. In deinem Leben gibt es gute Menschen, Mercers, und wenn du jetzt umkehrst, kannst du sein wie sie und musst kein Teague werden. Aber du musst sofort hier weg.«
Rainey spürte, wie sich im Zentrum seiner Kälte eine Hitze ausbreitete. Er wusste, dass er ein Adoptivkind war, aber er hatte immer das Gefühl gehabt, bei seinen wahren Eltern aufzuwachsen. Zorn wallte in ihm auf.
»Mein Vater war ein Teague.«
Talithas Gesicht wurde plötzlich hart.
»Ja, dein Vater war ein Teague. Aber er hieß nicht Miles. Das weißt du. Du weißt, dass du ein Auserwählter warst. Das wird jetzt wehtun, Junge, aber du musst wissen, dass es Miles Teague war, der deine Stiefmama hier herauf an den Crater Sink gebracht und sie hineingestoßen hat. Ein echter Teague. Auch ich bin von einem Teague umgebracht worden.«
Raineys Knie gaben nach und sein Gesicht wurde eiskalt. Er rang nach Worten.
»Mein Dad hat meine Mutter umgebracht ? Meine … Stiefmutter?«
Talitha nickte.
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Weil sie zu neugierig war und Fragen über dich gestellt hat. Nach deiner Herkunft. Wer deine Mama war. Wer dein Daddy war. Was du wirklich bist.«
»Aber Dad ist jetzt auch gestorben.«
»Das stimmt. Von eigener Hand, und trotzdem liegt er in geweihter Erde bei seiner Familie.«
Aus ihrer Geisterstimme klang eine solche Überzeugung, dass es unmöglich war, ihr nicht zu glauben.
»Warum hat mein Dad sich umgebracht?«
Talitha schwieg eine Weile, und es sah ganz so aus, als lausche sie auf etwas, das nur sie hören konnte.
»Er hat sich umgebracht, weil Nichts kam.«
Jetzt konnte Rainey die Krähen hören.
In weiter Ferne, aber ganz deutlich.
Auch Talitha hörte sie. Vielleicht hatte sie die ganze Zeit auf sie gelauscht.
Sie blickte nach oben ins Dunkel des Blätterdaches, dann sah sie wieder ihn an.
»Nichts kommt. Dreh du dich jetzt um und lauf die Treppe hinunter, so schnell du kannst.«
»Was ist das? Was kommt da?«
Talitha blickte ihn nur traurig und enttäuscht an.
»Wenn du bleibst, wirst du es sehen. Ich habe für dich getan, was ich konnte. Nun muss ich fort.«
»Warum musst du fort?«
»Weil die Toten nichts umbringen
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