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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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tauchenden Schwarzen gegen Tuben mit Antiinsektensalbe oder Chininampullen eingetauscht worden waren. Manoel de Sousa de Sepúlveda, der glatzköpfig und verwitwet war (seine Frau erholte sich auf dem Friedhof von Lobito von ihrem Rheumatismus unter einem Engel aus Grabmarmor mit ausgebreiteten Flügeln, der auf ihrer Brust saß, um so unzeitigen Wiederauferstehungen zuvorzukommen), ließ sich auf den Schemel eines Laboratoriums für klinische Untersuchungen fallen, schaltete eine Lichtquelle ein, die durchscheinender war als der Gesichtspuder der Witwen, deckte das linke Auge mit einer Uhrmacherlupe ab und begann mit der Liturgie der Überprüfung von Diamanten, die fast ausnahmslos Scherben von Menagen oder Kohlestückchen waren, welche von ihm mit einer verächtlichen Abschiedsgeste mit dem Spatel weggeschoben wurden, während die kleinen Soldaten voller Panik oder die Offiziere mit der besorgten Zigarette am Kinn an seinen priesterlichen Gesten hingen und dieser Messe aus Reagenzien und Pinzetten zuschauten und glücklich zum wappenbewehrten Tor der Kaserne davongingen, wenn einer der Steine in einem Damastetui verschwand. Manoel de Sousa de Sepúlveda räumte dann die Pretiosen in ein von einem Rüschenvorhang verborgenes Tabernakel und wartete darauf, daß Freitag ein Freund, der Inspektor bei der PIDE war, ein possenreißender Witzbold mit Schnurrbart, zum gewohnten Kaninchenabendessen kam, damit er ihm die Schmuggelware zuschob, die der Polizist, nachdem er seine Kommission in den Tiefen der Hose versenkt hatte, durch einen vertrauenswürdigen Kurier nach Sambia bringen
ließ, und der Glatzkopf erhielt einen kleinen Scheck aus Holland oder Belgien, sobald das Steinchen in die Finger eines verwandten Steinschleifers in Amsterdam gelangt war, der seinen Goldschmiedeladen im Stadtteil der schlecht beleumundeten Frauen hatte, die kürbisgleich wie fleischige Buddhas in ihren Schaufenstern hockten. Doch wichtiger noch als die Steine und in dem Maße immer wichtiger, wie der Staub der Einsamkeit die Kleider der Verstorbenen in den Schränken schimmeln ließ, war es, die Gartenschere aus der Schublade zu holen, den Strohhut von den Antilopenhörnern der Garderobe zu nehmen, das Gesicht trotz des Schattens der Hutkrempe mit einer dunklen Brille zu verbergen und mittags, mit zufälligem Scherenschnappen, so zu tun, als würde er den Buchsbaum an der Mauer schneiden, den Schülerinnen zuzusehen, wenn sie aus dem Lyzeum kamen und die Straßen hinaufstiegen, ohne auf ihn zu achten, in tuschelnden Gruppen zwischen den Bäumen des öffentlichen Parks verschwanden und die aphrodisierende Spur von Gleichungen zweiten Grades hinter sich ließen, die die Trompeten des Bataillons in kriegerischer Eile wegfegten. Wenn er ins Wohnzimmer zurückkehrte, lächelten ihn vom Konsoltisch her die Fotos der Toten bar jeder Eifersucht unverändert verständnisvoll an, und der Schellfisch mit Brunnenkresse, den er allein in einem Kabuff mit schweren, dunklen Möbeln wie aus einer alten Abtei schluckte, hatte den wirren Geschmack von Grammatiklektionen. Und er schlummerte dann in einem Ohrensessel ein, wo ihm im Traum dreizehnjährige Mädchen nackt durch den Kopf geisterten.
    Eines Morgens setzte ihn der Schuhputzer vom Café, die
Stimme dicht an den Schuhen, während er mit dem Tuch zum Polieren der Schuhspitzen flappte, davon in Kenntnis, daß in Lixboa merkwürdige Dinge vorgegangen seien: Die Regierung habe gewechselt, es sei davon die Rede, den Negern die Unabhängigkeit zu geben, man stelle sich das vor, die Kunden der cremegefüllten Blätterteigschnitten und der getoasteten, butterbestrichenen Weißbrotscheiben waren empört. Die Rückkehr von Kolonnen aus der Baixa do Cassanje, die ihr kriegerisches Aussehen verloren hatten und sich friedlichen Transportvehikeln angeglichen hatten, nahm an Häufigkeit zu: Es hätte den Schuhputzer nicht gewundert, Kinderwiegen und Klaviere durch die Hügel in Richtung Loanda fahren zu sehen. Beim Barbier, beim Notar, in der Apotheke hörte Manoel de Sousa de Sepúlveda das gleiche, und er postierte sich mit glänzenden Schnürsenkeln, den Strohhut auf dem Kopf als Wache in den Buchsbaumhecken des Gartens und beobachtete die Kasernen der Armee mit schwarzen Brillengläsern. Er beobachtete die ungewohnte Lebhaftigkeit im Kommandogebäude, die Schützeneinheiten, die Zivillastwagen mit Pulverkisten und Gewehren beluden, den Wirbel kreischender Hauptleute, Krankenpfleger, die Wasserfilter und die

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