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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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das hier gerade), das Büro, so wie er es immer gesehen hatte, neu war nur der Fernseher auf einem Tisch, und im Eßzimmer stritten, von einem Öldruck mit Hasen, Radieschen und Fasanen überwacht, der Glatzköpfige und seine Frau kreischend über den Teigtaschen.
    Manoel de Sousa de Sepúlveda setzte sich an die Ecke des Tischtuchs auf einen mit Ziernägeln versehenen Stuhl, schiedsrichterte die Beschimpfungen, während er wie von ungefähr seinen Blick über die lila verglasten Türen der Anrichte, die Lampe aus Schmiedeeisen mit Spinnenweben an den Ketten, die matten Gefühle von einst streichen ließ, als der Vater noch lebte und den Mahlzeiten in Museumsstille vorsaß. Unter dem Vorwand, urinieren zu müssen, wanderte er durch die Zimmer, stolperte über Fäden, zog entlegene Silhouetten aus der Erinnerung hervor und hätte beinahe den Fuß in eine zwischen zwei Schränken offen stehende Mausefalle gesteckt, in der auf einem Haken ein Stück Brotrinde gespießt war. Unterwegs nahm er seinen
Koffer mit, durchquerte das Knistern der Rüben im kleinen Hintergarten, ging um das Haus herum und erreichte den von den Fassaden der ehemaligen, in den Rechenkaros ihrer Bettwäsche Träume von deskriptiver Geometrie schnarchenden Geometrienachhilfelehrer wie mit Mauern umschlossene Anlage. In der Rua das Amoreiras, in der es noch keine Betrunkenen gab, handelte er mit dem Licht eines Taxis, das in den Schienen tanzte, den Preis für eine Fahrt an die Costa da Caparica aus. Und während der Reise erkannte er freudlos die beinahe menschenleeren Plätze und Boulevards von Lixboa, die monoton aufeinanderfolgten wie Stoffbahnen, die abgewickelt werden: Düstere Läden, in die Dunkelheit eingepaßte Statuen, zerrupfte Büsche, die Básilica da Estrela für irgendeine Totenwache geöffnet, und dann, an der Brücke entlang, die im Fluß ankernden Galeonen mit den Gewürzen, eine Karavelle mit der Cholerafahne, und die Steinmetze des Jerónimosklosters, die im Laufmaschenaufnehmerinnenlicht der Fackeln die Spitzen des Hauptbogens klöppelten.
    Am gegenüberliegenden Ufer war Manuel de Sousa de Sepúlveda, als er an den Tankstellen vorbeifuhr, über das riesige schlafende Tier der Costa da Caparica in der Entfernung überrascht, über die vielen Gebäude, Hotels, Ladenschilder, das matte Glänzen der Cafés. Nachdem er die Eisenbahnschienen überquert hatte, traf er auf Trauben von ausländischen Urlaubern und Emigrantenautos, Boutiquen, Diskotheken, ein unbekanntes Fieber und wahrscheinlich, nein, bestimmt kein Mädchenlyzeum, keine Hüften von Dreizehnjährigen auf dem Nachhauseweg. Das Taxi fuhr um einen Verkehrskreisel in der Nähe der Dünen und Holzhütten
und hielt hundert oder zweihundert Meter weiter längs an der Fluchtlinie einer Straße vor dem Geruch des Meeres und einer Sandfläche, die von dem blauen, auf dem rostigen Skelett des Gerüstes sitzenden Niveaball gekrönt war. Die im Metall des Wassers widergespiegelten Stangen der Sonnendächer ähnelten den Geweihen eingegrabener Rentiere, einem Heer von schiffbrüchigen, vom Kurs abgekommener Rentiere ohne Fell, die die Zunge der Ebbe an die Küste gespuckt hatte.
    Der Fahrer (nur Schultern, nur Nacken, nur Hände, nur heruntergelassene Augenlider, am Rückspiegel die Nischenheilige) knipste die kleine Deckenlampe an, damit er sich nicht beim Wechselgeld irrte (Schild am Armaturenbrett: ICH BIN HERZKRANK, DAHER BITTE ICH SIE HERZLICHST NICHT ZU RAUCHEN), und die Wechselfälle des nach Nappa und ranzigem Öl stinkenden Wageninneren tauchten wie uralte Episoden aus der Dunkelheit auf, was wir, mein Gott, nur vergessen wollen, Wiegendüfte, wäßrige Gesichter, die Angst im Schlaf zu sterben, die Mutter, die die Schwellung der Krampfadern in die Anrichte schleppte, oder zeitnaher die Jahre von Loanda und Malanje, der Todeskampf der Ehefrau, die leuchtende Pupille der Diamanten auf dem Filz, das Whiskylachen der Inspektors der PIDE, der seine Schnauze in den Kaninchenreis gesteckt hatte. Im Anschluß an sein Haus war eine Reihe Gebäude gebaut worden, und der Niveaball war der einzig sichtbare Stern über dem Schwarz des Meeres.
    Er überquerte die Straße, drückte auf einen Knopf, und die Eingangshalle des Gebäudes bevölkerte sich mit Stufen, die Marmor nachahmten, mit Wandleuchten und in die
Helligkeit von Sonnenfinsternissen getauchten Pflanzen, bei denen die Blätter in den Blumentöpfen unecht, ockerfarben und breit aussahen, wie die, die man in den Läden für

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