Die Rückkehr der Templerin
zornig wurde sie plötzlich. Abbé machte sich nicht einmal die Mühe, Besorgnis zu heucheln. »Ihr redet doch auch sonst gerne mit ihm.«
Abbé zog die Augenbrauen zusammen und schwieg. Seine Verwirrung war beinahe perfekt gespielt. Aber das machte Robin in diesem Moment eher noch wütender. »Ihr macht doch nicht tatsächlich gemeinsame Sache mit Gerhard von Ridefort, um den Großmeister zu verraten, oder?«, fragte sie.
Abbés Augen wurden groß. »Woher …?«
»Ich habe Euch belauscht«, schleuderte ihm Robin entgegen. Plötzlich konnte sie ihre Gefühle kaum noch im Zaum halten. Von allen Menschen auf der Welt war Abbé der letzte, von dem sie erwartet hätte, dass er sie anlog. »Ich habe jedes Wort gehört!«
Abbés Augen wurden noch größer. »Du … warst unten in den Ställen?«, murmelte er.
»Keine zehn Schritte vor Euch«, antwortete Robin. »Ich habe jedes Wort gehört. Ihr plant tatsächlich, die Zahlung des Lösegeldes zu verweigern? Ich … ich verstehe das nicht! Ihr könnt doch unmöglich wollen, dass Gerhard von Ridefort neuer Großmeister unseres Ordens wird!«
»Der Tag, an dem ein Mann wie Gerhard von Ridefort Großmeister unseres Ordens wird, ist der Beginn unseres Untergangs«, sagte er ernsthaft. »Deine Ohren mögen ja noch die Schärfe der Jugend haben, aber du urteilst vielleicht auch etwas vorschnell. Manche Worte haben mehr als eine Bedeutung, weißt du?« Er schnitt ihr mit einer ärgerlichen Bewegung das Wort ab, als sie etwas sagen wollte. »Was um alles in der Welt hattest du im Tempelberg zu suchen? Willst du dich mit aller Gewalt ins Unglück stürzen, und uns gleich dazu?«
Robin verstand nicht, warum Abbé so überrascht war. »Aber hat Rother Euch denn nicht gesagt, wo Ihr mich findet?«
»Rother?«, gab Abbé zurück. »Wer soll das sein?« Er wiederholte seine unwillige Handbewegung. »Aber egal, wir klären das später. Jetzt bringe ich dich erst einmal hier heraus, und dann werde ich dafür sorgen, dass du noch heute aus der Stadt verschwindest und ganz bestimmt niemals wieder auftauchst.«
»Und Marschall Ridefort?«, fragte Robin. »Er hat mich gesehen, oder?«
»Ich fürchte«, sagte Abbé grimassenschneidend, »mir wird schon etwas einfallen. Notfalls kann ich ja behaupten, du hättest mich und meine Begleiter niedergeschlagen und wärst geflohen. Aber auch das hat Zeit bis später. Lass uns von hier verschwinden, bevor Ridefort am Ende noch auf die Idee kommt, sich persönlich nach deinem Befinden zu erkundigen.«
Er schlug zweimal mit der flachen Hand gegen die Tür und setzte einen möglichst finsteren Gesichtsausdruck auf, als geöffnet wurde. »Bruder Robin und ich verlassen den Tempel«, sagte er, bevor sein Gegenüber auch nur Gelegenheit fand, einen einzigen Ton herauszubekommen. »Geht zu Marschall von Ridefort und richtet ihm aus, dass ich ihn wie besprochen zum Nachmittagsgebet in der Grabeskirche erwarte.«
Der Mann, der offenbar die undankbare Aufgabe hatte, Robin zu bewachen, kam auch jetzt nicht dazu, irgendwelche Einwände vorzubringen. Abbé scheuchte ihn mit einer groben Bewegung aus dem Zimmer und bedeutete ihm kaum weniger rüde, vorauszugehen. Rasch und mit demütig gesenktem Haupt trat Robin an ihm vorbei auf den Flur, wobei sie den Mann, der draußen neben der Tür stand, nur aus den Augenwinkeln sah. Trotzdem war sein Unbehagen nicht zu übersehen. Was Abbé tat, stand offensichtlich ganz und gar nicht im Einklang mit seinen Befehlen. Aber er versuchte nicht, sie aufzuhalten, sondern starrte ihnen nur finster nach, bis sie die Treppe erreicht hatten und nebeneinander die schmalen Stufen hinabzusteigen begannen.
»Irgendwann frage ich Euch einmal, wer Ihr wirklich seid, Bruder Abbé«, sagte Robin leise.
»Wer ich wirklich bin?«
»Mit Sicherheit kein kleiner Ritter aus einer unbedeutenden Komturei in Friesland«, behauptete Robin.
»Aber nichts anderes bin ich«, erwiderte Abbé. Täuschte sie sich, oder klang seine Stimme leicht amüsiert? »Genau so hast du mich doch kennen gelernt, Bruder Robin. Als unbedeutenden Ritter aus einer noch viel unbedeutenderen Komturei in Friesland.«
»Dem man kaum weniger Respekt entgegenbringt als dem Großmeister und den Männer wie Gerhard von Ridefort in wichtigen Angelegenheiten des Ordens um Rat fragen«, sagte Robin spöttisch. »Wie gesagt: Eines Tages werde ich Euch fragen, wer Ihr wirklich seid. Und Ihr werdet mir diese Frage beantworten.«
»Kaum«, antwortete Abbé. »Du wirst
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