Die Rückkehr der Templerin
dafür aber von umso beeindruckenderer Leibesfülle und nahezu kahlköpfig. Das einzig wirklich Beeindruckende an ihm war das wuchtige Bastardschwert, das er anders als die allermeisten Männer an der rechten Hüfte trug, obwohl er kein Linkshänder war.
Bruder Abbé war endlich gekommen, um sie zu holen!
Robin atmete erleichtert auf und wollte sich gerade vorsichtig zu erkennen geben, als Abbé seinerseits den Arm hob und rief:
»Bruder Gerhard! Ihr kommt spät - doch ich hoffe, Ihr bringt gute Neuigkeiten.«
Robin senkte so hastig den Blick, dass es ihr selbst fast wie ein kleines Wunder erschien, dass Abbé oder der Mann in ihrem Rücken nicht spätestens auf diese Bewegung aufmerksam wurden, aber der Angesprochene hinter ihr antwortete mit Rideforts Stimme: »Ich fürchte, nein, Bruder Abbé.«
»Ihr habt keine Nachricht vom Großmeister?«
Robin senkte den Blick noch weiter, behielt Abbé aber aus den Augenwinkeln weiter im Auge, während sie an ihm vorüberging. Sie passierte ihren alten Mentor in weniger als zehn Schritten Abstand. Abbé hätte sie bemerken müssen, Schminke hin oder her, aber er schien geradewegs durch sie hindurchzublicken. Trotz des schwachen Lichts konnte Robin erkennen, wie bleich er war. Weshalb auch immer er hier heruntergekommen war - sie war nicht der Grund dafür gewesen. Sie konnte hören, wie Abbé hinter ihr kehrtmachte und seine Schritte dann denen Rideforts anglich. Seine Stimme wurde leiser, aber er sprach jetzt in jenem gehetzt-erschrockenen Flüsterton, den man fast ebenso weit hören konnte wie ein normal gesprochenes Wort.
»Ihr habt keine Nachricht von Odo? Aber ich dachte …«
»Saladin hat einen Boten geschickt«, antwortete Rideforts Stimme, deutlich leiser als Abbés und auch nicht annähernd so erregt. Wenn ihr überhaupt ein Gefühl anzuhören war, dann die Erschöpfung des zurückliegenden Rittes. »Der Großmeister lebt. Er ist verwundet, aber nicht sehr schlimm.«
»Worauf wir nur Saladins Wort haben«, versetzte Abbé. »Das Wort eines Heiden und Aufständischen!«
»Ich glaube ihm«, antwortete Ridefort. »Er mag ein Heide sein, aber man sagt ihm dennoch nach, er wäre ein Ehrenmann.«
Robin konnte hören, wie sein Kettenhemd klirrte, als er seufzend den Kopf schüttelte. »Nur fürchte ich, ist er nicht nur ein Ehrenmann, sondern auch ein kluger Taktiker, der um den Wert seiner Geisel weiß.«
»Was genau soll das heißen?«, fragte Abbé. Robin hatte mittlerweile immer größere Mühe, die beiden Ritter zu verstehen. Abbé sprach eher noch erregter und lauter als zuvor, doch die beiden Männer bewegten sich auch eine Winzigkeit langsamer als sie, und Robin wagte es nicht, ihrerseits langsamer zu werden, um nicht am Ende doch noch aufzufallen.
»Saladin verlangt ein Lösegeld von einhundertundfünfzigtausend Goldstücken«, antwortete Ridefort.
»Einhundertfünfzigtausend Goldstücke!«, ächzte Abbé.
»Heilige Mutter Gottes, das ist viel! Kann der Orden eine solche Summe aufbringen?«
»Die Frage ist nicht, ob er es kann«, antwortete Ridefort. »Die Frage ist, ob Bruder Odo möchte, dass für das Leben eines einzelnen Mannes eine Summe gezahlt wird, für die man so viele neue Waffen und Rüstungen und Pfeile kaufen kann. Saladin kann eine neue Armee aufstellen mit diesem Geld. Ist es das Leben eines einzigen Mannes wert, in der nächsten Schlacht vielleicht tausend zu verlieren?«
»Waren das Odos Worte?«, fragte Abbé ungläubig.
Ridefort zögerte einen winzigen Moment, bevor er antwortete, und Robin glaubte seine misstrauischen Blicke regelrecht zwischen den Schulterblättern zu spüren. Seine Schritte wurden langsamer und brachen schließlich ganz ab. »Nein«, sagte er mit einem leisen Lachen. »Aber wir alle kennen doch Odo von Saint-Amand, oder? Eine solche Antwort würde durchaus zu ihm passen, ganz davon abgesehen, dass er es bestimmt empört ablehnen würde, wie ein Sklave auf dem Markt freigekauft zu werden, und …«
Seine Stimme wurde leiser und verklang schließlich ganz. Robin verstand nichts mehr, sosehr sie sich auch anstrengte, und sie verstand auch Abbés Antwort nicht - doch sie hörte immerhin, dass seine Stimme nicht einmal annähernd so empört klang, wie es angemessen wäre, und vor allem, wie sie erwartet hätte.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Was sie gerade gehört hatte, das war vielleicht noch keine wirkliche Verschwörung, aber es grenzte daran, und allein der Gedanke, Abbé und Ridefort ein solches
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