Die Rückkehr der Templerin
der Mann ist, als den du ihn mir gerade geschildert hast. Doch meine Stimme allein zählt nicht. Nein.« Er seufzte tief.
»Ich fürchte, ganz gleich, ob nun Saladin obsiegt oder unsere Truppen triumphieren - wer immer die Vormacht in Galiläa und den Ebenen bis Damaskus erringt, der wird als Nächstes die Assassinen vertreiben.«
»Aber … warum?«, murmelte Robin hilflos.
»Vielleicht gerade weil Raschid Sinan der Mann ist, als den du ihn kennen gelernt hast. Wir leben in schlimmen Zeiten, mein Kind. Und schlimme Zeiten sind schlechte Zeiten für aufrechte Männer.«
»Und was … bedeutet das?«, fragte Robin leise. Ihr Herz begann zu klopfen.
Bevor Horace antworten konnte, drang ein helles Glockengeläut durch das schmale Fenster herein, und er erhob sich mit einem Ruck und so schnell, als hätte er nur auf dieses Zeichen gewartet, um nicht antworten zu müssen. »Kommt mit mir, Bruder«, sagte er, mit sonderbarer Betonung und einem angedeuteten Lächeln. »Die Stunde des mittäglichen Gebetes ist gekommen. Die Zeit, dem Herrn für all das zu danken, was er uns in seinem Land so überreich beschert.«
Robin fragte sich, wie Horace diese Worte wohl meinte. Eigentlich war er kein Mann, der Andeutungen oder Ironie schätzte, doch in diesem Moment war sie sich dessen ganz und gar nicht mehr sicher.
11. KAPITEL
Goldenes Licht stach in langen Strahlen durch die schmalen Fenster des Refektoriums der Burg herab, in dem sich die Tempelritter zum Mittagsmahl versammelt hatten. Robin fühlte sich unbehaglich. Ihr Magen knurrte hörbar, und angestachelt durch den intensiven Essensgeruch, der in der Luft lag, und unter dem allgegenwärtigen Hunger, der in ihren Eingeweiden wühlte und den weder der Duft nach gebratenem Fleisch noch der Geruch von gedünstetem Gemüse und frischem Käse, der übermäßig in der Luft lag, zu besänftigen vermochten, begann eine andere, Robin auf höchst unwillkommene Art bekannte Übelkeit zu rumoren. Während der letzten zwei oder drei Tage hatte sie dieses Gefühl fast vergessen, und sie hatte schon Hoffnung geschöpft, es wäre ganz vorbei; aber offensichtlich zu früh. Während Robin auf den freigebliebenen Stuhl direkt neben Horaces Platz zuging, den der Komtur ihr angewiesen hatte, versuchte sie, möglichst tief und ruhig zu atmen, um ihre revoltierenden Eingeweide zu beruhigen. Sie fühlte sich in Gegenwart all dieser hochrangigen Tempelritter und Fürsten ohnehin unwohl, und sie spürte durchaus die Gefahr, dass sich ihre Übelkeit bis zum Erbrechen steigern könnte. Auch wenn ihr allein der Essensgeruch in der Luft das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, so nahm sie sich doch vor, nur sehr wenig zu essen, und auch das nur mit äußerster Vorsicht. Die Vorstellung, sich auf die Füße des Komturs von Safet zu erbrechen - wenn nicht gleich in den Schoß des Großmeisters -, war nicht besonders erbaulich.
Horace, der ganz offensichtlich um ihr Gedächtnis besorgt zu sein schien, denn er hatte ihr auf dem Weg von der Kapelle hier herauf noch einmal in aller Nachdrücklichkeit eingeschärft, sich
streng an die Ordensregel zu halten und kein Wort zu reden, es sei denn, sie würde direkt von einem höherrangigen Ritter angesprochen, sprach ein kurzes Gebet und gab ihr dann mit einem verstohlenen Nicken zu verstehen, dass sie Platz nehmen solle. Für einen Moment wich die fast atemlose Stille in dem großen Speisesaal einem hektischen Stühlerücken und Scharren, als die gut siebzig Ritter, die hier zusammengekommen waren, Platz nahmen. Robin sah sich unauffällig um, und ihr Unbehagen wuchs noch weiter, als sie feststellte, dass es tatsächlich ausnahmslos Ritter waren, keine Waffenknechte oder Knappen.
An der Spitze der langen Tafel, nur zwei Stühle links von Horace und drei von ihr, saß Odo von Saint-Amand, der Großmeister des Ordens, den sie schon vorhin unten im Hof gesehen hatte. Zu seiner Rechten hatte Ridefort Platz genommen, der Ordensmarschall, und auch die übrigen Stühle an diesem Ende des Tisches waren mit Edelleuten besetzt, deren Namen ihr Horace zugeraunt hatte, als sie hereingekommen waren. Robin war viel zu aufgeregt gewesen, um sich auch nur einen davon zu merken, und ihre Aufregung legte sich keineswegs, sondern wurde nur noch stärker, als sie den Blick des Großmeisters für einen kurzen Moment auf sich spürte. Hastig, aber nicht so schnell, dass es wie ein Zeichen von schlechtem Gewissen aussah, senkte sie den Kopf und begann die Lippen zu bewegen,
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