Die Rueckkehr des Daemons
Sid.
Bob lachte. »Wenn zwei Schreihälse kommen, wo nur einer erwartet wird, werden Pläne geändert. Die stolzen Eltern brauchen eine größere Wohnung. Und wer verdient dann?«
Theodorakis hob lachend sein Glas. Seine Gesichtsfarbe wechselte langsam von Tomate zu Rote Bete . »Unser lieber Bob! Gratuliere! Und ein Hoch auf die Folsäure!«
Sid verstand nicht, was er damit meinte. Er wollte eben nachfragen, als seine Mutter den Mund öffnete. Eine Wolke von Nikotin entströmte ihren Lippen. Ihm wurde übel. Seit seinem Unfall nahm er den Geruch viel stärker wahr.
»Erzähl nicht so viel Unsinn, Panajotis!«, herrschte Caroline seinen Patenonkel ungewohnt scharf an. »Und mit dem Wein solltest du dich auch ein bisschen zurückhalten. Sonst tut es dir morgen leid!«
Reumütig zog Theodorakis den Kopf ein. Er wirkte wie eine erschreckte Schildkröte. »Viiiielleicht hastu Recht!«, lallte er. Trotzdem schenkte er sich nach.
Sid brummte der Kopf. Der Zigarettenrauch, die ewig gleichen Reden seines Vaters, der scharfe Geruch des indischen Essens aus der Küche. Er würde keinen Bissen hinunterbringen. Das Verhalten seines Patenonkels dagegen amüsierte ihn nur. Es war erfrischend, mit einem Menschen zusammen zu sein, der das Leben sichtlich genoss. Zum ersten Mal dachte er wieder an das Seminar über amerikanische Dichtung. Die Beat-Poeten hatten den Rotwein sicher wie Dylan Thomas kanisterweise getrunken. Dagegen waren seine Eltern so bieder wie Meerschweinchen.
Zögernd nahm Sid die Serviette vom Schoß und schob den Stuhl vom Tisch weg. »Darf ich bitte aufstehen?«, fragte er. »Mir ist schlecht!«
Seine Mutter setzte zu einer Predigt an, aber Theodorakis kam ihr zuvor.
»Isch als dein Aaaazt erlaube es. Der Junge braucht Ruuuuuhe! Aber nimm deine Tabletten!«
Als Zeichen seines Gehorsams warf sich Sid zwei Pillen in den Mund und beeilte sich, aus dem Esszimmer zu entkommen.
Obwohl er die Tür hinter sich schloss, drang die langweilige Unterhaltung durch alle Ritzen. Wie der Qualm der Zigaretten. Ihm war, als hätten sich alle Teppiche und Gardinen, selbst die Mäntel im Schrank mit Nikotin vollgesogen. Unüberwindbar machte sich in ihm der Impuls breit, die Fenster aufzureißen. Der Wind sollte durch das Apartment wehen und den Muff hinausfegen, den seine Eltern absonderten. Den verbalen Müll und ihre Körperausdünstungen. Allein die Anwesenheit der beiden machte ihn krank. Aber er wusste, dass wegen der Alarmanlage ein Öffnen der Fenster unmöglich war.
Das rothaarige Mädchen kannte solche Probleme sicher nicht.
Wenn ich nun…? Die Idee war nur kurz aufgeflackert wie ein Streichholz im Wind. Aber der Gedanke ließ sich nicht zurückdenken. Dann ging alles blitzschnell. Wie ferngesteuert eilte Sid in sein Zimmer, zerwühlte das Bett, streifte sich einen Kapuzenpulli über und löschte das Licht. Von außen schloss er die Tür und schlich auf Zehenspitzen durch den Flur. Er tippte die Geheimzahl in die Tastatur der Alarmanlage. Das rote Licht erlosch, das grüne leuchtete auf. Mit geschlossenen Augen drehte er den Türknopf und war im Flur.
Freiheit!
22. Kapitel
Bagdad, Irak, 8. April 2003
Der fünfzehnte Tag des Irakkriegs. Unaufhaltsam drangen die amerikanischen Panzer an Birgers Unterschlupf vorbei in Bagdad ein. Wie in einem Computerspiel nahmen sie die Hauptstadt Meter für Meter ein. Von der erbitterten Gegenwehr, die Saddam Hussein in seinen hasstriefenden Reden nicht müde wurde anzudrohen, fehlte jede Spur. Kompanieweise ergaben sich beinahe im Stundentakt die schlecht ausgerüsteten Irakis ihren haushoch überlegenen Feinden. Das Hauptinteresse der Marines galt nun dem Erdölministerium.
Birger Jacobsen war über die aktuelle Lage in Bagdads Straßen minutiös informiert worden. Direkt aus Kairo war dann am Morgen die erlösende Anweisung gekommen: Das Warten hat ein Ende, Zeit für die Wüste .
Jetzt saß Birger in einem alten Landrover und schwitzte. Erbarmungslos brannte die Sonne vom Himmel. Die Hitze war der einzige Feind, den die Soldaten wirklich zu fürchten brauchten. Eine Woche würden sie noch benötigen, um Saddam zu finden, schätzte er. Vielleicht zwei.
Der unkonventionelle Fahrstil seines Kontaktmannes rüttelte den Wagen durch wie ein Erdbeben. Zielsicher traf er jedes Schlagloch. Um sie herum nur Sand und Trümmer. Und ausgebombte Gebäude. Die Moscheen waren bisher verschont geblieben. Kurzstreckenraketen sirrten durch die Luft. Ohrenbetäubend bohrten sie sich
Weitere Kostenlose Bücher