Die Rueckkehr des Daemons
Es roch nach Kümmel. » Medjedu, teschi anch imi’ek neheh «, murmelte er dem Iraki ins Ohr.
Mit einem tiefen Seufzer fasste sich der Mann ans Herz, sein Gesicht wurde grau.
Birger Jacobsen stieg aus und befreite die Kanister auf der Ladefläche von ihren Haltegurten. Glucksend schwappte das Benzin aus dem Einfüllstutzen. Zufrieden nahm er seinen Koffer und lief ein paar Schritte in die Wüste hinein. Mit dem ersten Streichholz ging der Wagen in Flammen auf. Mit dem zweiten kokelte Birger Jacobsen Presseausweis und Reisepass an. John McClaugh, irischer Staatsbürger, geboren am St. Patrick’s Day, in den Irak eingereist als Fotojournalist am 2 . April 2003. Er löschte die Papiere und warf sie mit der Nikon neben das brennende Wrack. Auch die DNA -Analyse kannte Grenzen.
Mit einem überwältigenden Glücksgefühl im Bauch betrat er iranischen Boden. Jetzt musste er den Koffer nur noch heil nach Kairo schaffen – und er war Wesir!
23. Kapitel
NYC , Montag, 8. Oktober 2007, 20 Uhr
Die Waggons waren heillos überfüllt. Seine Welt, alles, was er kannte, war dort oben, weit hinter ihm. Das hier war der Untergrund, ein Kosmos für sich, ein eigenes, unbekanntes Universum. Wenn New York das Herz der Welt war, wie manche behaupteten, dann waren seine U-Bahnen ihre Arterien, die frisches Blut in jede Ecke der Stadt pumpten. Menschen aller Hautfarben drängelten sich aneinander. Ein babylonisches Sprachengewirr drang an sein Ohr. Spanisch, Chinesisch, Deutsch, Russisch, Japanisch, dazu viele andere Sprachen, die sich nicht eindeutig identifizieren ließen.
Sid fuhr ohne Ziel. Er sog einfach die Eindrücke in sich auf. Licht und Dunkel wechselten sich vor den Fenstern ab. Bahnhof, Tunnel, Bahnhof, Tunnel. Die New Yorker waren dafür bekannt, dass sie sich nur rennend fortbewegten. Hier in den Eingeweiden der Stadt konnte man sie so gut beobachten, wie nirgends sonst. Und er war frei, keiner konnte ihm verbieten, die Leute anzustarren.
Direkt vor ihm wiegte ein Schwarzer mit gigantischer Afrofrisur im Takt seines iPods die Hüften. Sid verstand Fetzen eines Songs von 5 0 Cent, denn der Mann rappte wild mit.
Jetzt habe ich alles, was die Beat-Poeten so verehrten, schoss es Sid durch den Kopf: Freiheit und Tempo, und Rap ging sicherlich als Jazz des neuen Jahrtausends durch. Fehlten nur Marihuana und Sex – darüber würde er später nachdenken.
Als die U-Bahn am Union Square hielt, ließ sich Sid von der Menge an die Oberfläche spülen. Mittlerweile war es acht Uhr. Die Dunkelheit lauerte wie eine Katze über der Stadt, um sie wie eine Maus zu verschlingen. Ein Heer von Millionen Glühbirnen kämpfte gegen sie an.
Er schlenderte am Reiterstandbild von George Washington vorbei bis zum Broadway, dabei betrachtete Sid alles so, als wäre er noch nie hier gewesen. Die Bäume, die Menschen, die Auslagen des großen Möbelgeschäfts ABC Carpet & Home . Sogar die Fugen zwischen den Pflastersteinen. In Freiheit schmeckte selbst der Smog nach Erdbeeren.
Plötzlich stand er vor einem kleinen Schaufenster. Shakespeare & Co. verkündete das Schild über dem Eingang. Booksellers. In der Mitte des Schriftzugs war William Shakespeare höchstpersönlich abgebildet. Das war doch die Buchhandlung, in der Mister Wallace ihre Schullektüre gekauft hatte. Ohne weiter darüber nachzudenken, trat Sid ein.
Der Laden war klein und unübersichtlich. Hoffnungslos überladene, dunkelbraune Regale stellten sich ihm in den Weg, vor einigen standen Kunden und lasen die Buchrücken. Andere hatten es sich in Sesseln bequem gemacht und studierten die staubigen Schätze, die sie ausgegraben hatten. Es roch durchdringend nach frischem Kaffee und altem Papier.
Was will ich hier?, fragte sich Sid. Gedankenverloren zog er wahllos einen schmalen Band aus einem Fach.
»Ah!«, sagte eine glockenklare Stimme hinter ihm in schwärmerischem Ton. Sid fuhr herum. Ein kleiner Mann mit Glatze und Samtfliege um den Hals hatte sich lautlos genähert. Bis auf die kleine Nickelbrille, durch die er Sid freundlich zuzwinkerte, war er beinahe ein Doppelgänger des großen englischen Schriftstellers, der dem Laden den Namen gab. »Sie interessieren sich für die Beat-Poeten! Gute Wahl, junger Mann! Aber leider etwas aus der Mode gekommen. Besonders ihre Generation scheint gar nicht mehr zu wissen, was sie für unser Land bedeutet haben.«
Sid starrte auf das Buch in seiner Hand. Jack Kerouac. On the Road stand auf dem Einband. Verdutzt sah er sich um. Warum
Weitere Kostenlose Bücher