Die Rueckkehr des Daemons
Haarbüschel aus dem Philippe-Starck-Waschbecken, dann schabte er sich ein paar Stoppeln vom Kinn. Aus dem Spiegel sah ihm ein düster dreinblickender junger Mann entgegen, das bleiche Gesicht durch die pechschwarze Fransenfrisur gespenstisch betont.
Ja!, dachte Sid. Genauso fühle ich mich! Die erste Veränderung vom angepassten Langweiler zum weltverachtenden Poeten war vollzogen.
Etwas aufgeregt betrat er das Esszimmer, bereit, jeden Kommentar seiner Eltern mit einer schlagfertigen Bemerkung abzuwehren. Zu dritt saßen sie am Tisch.
»Gute Güte!«, kreischte Caroline Martins bei seinem Anblick. »Warum wird man in der Schwangerschaft nicht auf so was vorbereitet?«
»Weil die Erwachsenen genauso einen Schock kriegen sollen wie die Babys«, antwortete Sid nicht weniger bissig. »Uns hat schließlich auch keiner gefragt, ob wir wirklich zu diesen Eltern wollen!«
Bob Martins warf seiner Frau einen scharfen Blick zu, der sie zum Schweigen brachte, auch wenn es ihr sichtlich schwer fiel.
Triumphierend drückte sich Sid auf den freien Stuhl, wie immer mit Blick auf den Park. Dolores brachte gerade die Vorspeise herein, eine indische Köstlichkeit, die schwer nach Honig roch. Panajotis Theodorakis schien die Veränderung seines Schützlings noch nicht bemerkt zu haben oder er fand sie nicht so skandalös wie Caroline. Schelmisch grinsend steckte er einen Finger in seine Schale und lutschte genießerisch daran. Anschließend tupfte er sich den Mund mit einer Stoffserviette ab. Gut gelaunt griff er nach seinem Glas und nahm einen großen Schluck Rotwein. Nicht seinen ersten. Seine Wangen waren vom Alkohol bereits leicht gerötet. Er schnaufte und lockerte seine Krawatte.
Sid spürte, wie sich Percy und Lord unter dem Tisch an seinen Hosenbeinen rieben. Sie mussten heute mit Fletcher durch den leichten Regenschauer am Nachmittag gelaufen sein. Jedenfalls rochen die beiden penetrant nach feuchtem Hund.
»Na, wie geht es denn unserem Patienten?«, fragte Panajotis mit schwerer Zunge. Seinen Eltern sah Sid an, dass sie froh über den Themenwechsel waren.
»Eigentlich ganz gut!«, antwortete Sid knapp und bemühte sich, ein entspanntes Gesicht zu machen. Der besorgte Blick seines Vaters verriet, dass ihm das nicht ganz gelang.
»Wie soll es ihm schon gehen?«, keifte seine Mutter dazwischen und zog an ihrer Zigarette. »Sieh ihn dir doch an!«
Der Geruch nahm Sid fast den Atem. Seit seinem Unfall rauchte Caroline noch mehr als sonst, mindestens zwei Päckchen am Tag. Sid roch das Nikotin, das aus ihrem Mund und ihren Poren strömte.
»Wenn man den ganzen Tag nur in seinem Zimmer hockt, muss man ja auf die unmöglichsten Ideen kommen!«, entrüstete sich seine Mutter weiter.
»Lass ihn doch!«, fuhr ihr Mann dazwischen. »Er hat ja auch eine Menge durchgemacht. Wenn er erst wieder in die Schule geht, wird er schon auf andere Gedanken kommen. Und gefärbte Haare sind ja nun wirklich kein Beinbruch.«
Sid sah seinen Vater verblüfft an. Derart einfühlsame Worte war er von ihm nicht gewöhnt. Überhaupt war er seit dem Unfall abends viel häufiger zu Hause – war es etwa die Sorge um seinen Sohn, die ihn nicht im Büro hielt? Solche Gefühlsregungen kannte Sid von seinem Vater nicht.
»Aber jetzt wollen wir nicht mehr davon reden.« Bob erhob das Glas. »Mein lieber Panajotis, Caroline und ich haben dich heute eingeladen, um dir zu danken. Und Sid sicher auch, denn du hast ihm schon zum zweiten Mal das Leben gerettet!«, fügte er mit einem Seitenblick auf seinen Sohn hinzu. »Außerdem gibt es noch eine weitere Kleinigkeit zu feiern: Ich habe gestern drei Verträge unterzeichnet. Drei verkaufte Apartments, mitten in Greenwich Village!«
Sie waren also wieder bei seinem Lieblingsthema angekommen! Theodorakis prostete ihm zu. Im Nebenzimmer ploppte ein Korken aus dem Flaschenhals. Dolores brachte einen frischen Dekanter mit Wein auf den Tisch.
»Die Kasse klingelt immer, wenn die Leute umziehen«, schwadronierte Bob Martins selbstzufrieden. Sid kannte diese Reden in- und auswendig. »Je häufiger sie umziehen, desto lauter klingelt es!« Er zog einen Zeitungsartikel aus seinem Jackett und faltete ihn auseinander. Ein Foto zeigte eine Frau mit Handy, die einen Zwillingswagen durch den Gramercy Park schob. Die nobelste Gegend der ganzen Stadt, wo schon Theodore Roosevelt aufgewachsen war. »New York wird immer mehr zur Welthauptstadt der Zwillingsgeburten – wunderbar!«
»Was ist daran so wunderbar?«, fragte
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