Die Rueckkehr des Daemons
ich mir heute das hier besorgt.«
Rascal ging zu ihrer Matratze und zog ein blütenweißes MacBook darunter hervor. »Ich weiß, was du sagen willst. Das Versteck ist das Dümmste, was es gibt. Aber ein anderes habe ich hier nicht.«
»Du willst von hier aus ins Internet?«
»Exakt. Mein Telefonanschluss ist zwar leider gerade außer Betrieb, aber nicht der ganze Block ist von der Außenwelt abgeschnitten. Ich habe extra eins klauen lassen … ich meine natürlich ›ausgesucht‹, das über wireless lan verfügt. Wir müssten uns bei jemand anderem ins Netz einwählen können, der unvorsichtig genug war, seinen Zugang nicht zu verschlüsseln.«
Rascal klappte den Bildschirm auf. »Mist!«, fluchte sie. »Die Batterie ist schon halb leer und das Kabel fehlt. Wir müssen also schnell sein.«
Mit allen zehn Fingern wirbelte sie über die Tastatur. Sid staunte, er selbst benötigte mit dem Zwei-Finger-Suchsystem schon Stunden für jede normale E-Mail.
»Na also, wer sagt’s denn!« Rascals Augen strahlten im blausten Blau, auf ihren Wangen bildeten sich tiefe Grübchen. »Wir sind drin im World Wide Web!«
Sid legte Surfer Rosa von den Pixies auf und hockte sich neben Rascal in den Schneidersitz. Der krachige Sound, der aus den Boxen tropfte, gefiel ihm. Eigentlich wollte er gar nichts mehr herausfinden, er hatte doch alles, was er brauchte. Für immer hier sein mit Rascal und ihrer abgefahrenen Musik, dafür hätte er sterben können!
Rascal starrte unbeirrt auf den Bildschirm. Ins Suchfeld bei Google gab sie die Worte ein: liberty enlightening the world .
»Ich werd verrückt!«, schnaufte sie. »Das ist der offizielle Name von Miss Liberty, der Freiheitsstatue!«
Sid war wie vor den Kopf geschlagen. »Du meinst, die ausgerissenen Seiten aus Nagys Buch befinden sich in der Freiheitsstatue? Aber wo?«
Rascal nahm sich den Brief noch einmal vor, ihre Wangen färbten sich rosa vor Aufregung. »Das muss auch hier stehen. Wir haben noch nicht alles.« Ihre Augen flogen über das Papier. »Doch!«, murmelte sie plötzlich. »Wir haben es schon. Sieh dir die Worte genau an: liberty enligHtening the wOrlD. Alle Buchstaben sind kleingeschrieben. Nur drei Großbuchstaben sind in dem Lösungswort: HOD .«
Sid verzog das Gesicht. »Ich dachte, das wäre ein Zufall.«
»Nein, in dieser Nachricht ist nichts Zufall. Und da ist noch die eine Zeile im letzten Absatz des Briefes, für die wir noch keine Bedeutung gefunden haben. Das ist wirklich ein unerwartetes Ende! Klar, ist es unerwartet, denn es muss natürlich HOT heißen! HOT , mit ›T‹. Und heiß ist bei Miss Liberty ja wohl die Flamme!«
Sid stöhnte. »Die Notizen von Nagy stecken in der Fackel der Freiheitsstatue!«
Ein paar Augenblicke lang wälzte er den Gedanken in seinem Kopf hin und her. Miss Liberty! Ihm fiel ein, was er in der Schule über das Freiheitssymbol gelernt hatte. 1876, als Nagy den Brief schrieb, fand in den gesamten Vereinigten Staaten die Hundertjahrfeier der amerikanischen Unabhängigkeit statt. Die Statue war ein Geschenk der Franzosen, die damit ihre Beziehung zu der aufstrebenden Weltmacht festigen wollten. Die USA sollten für den Sockel sorgen. Es gab nur ein Problem… Sid zuckte zusammen. Tief enttäuscht klappte er den Bildschirm des Notebooks herunter. Rascal konnte im letzten Augenblick ihre Finger wegziehen.
»Sag mal, spinnst du?«, zischte sie ihn wütend an.
»Nein, ich spinne nicht. Wir beide spinnen. Wir haben uns da in irgendwas verrannt. Die Freiheitsstatue sollte 1876 aufgestellt werden, aber beide Seiten konnten den Zeitplan nicht einhalten. Damals stand noch nicht einmal fest, wo die Figur stehen sollte. Erst zehn Jahre später, 1886, konnte sie eingeweiht werden.«
Sid stand auf. Wütend trat er gegen den Stuhl. Sein Pulli landete auf dem Plattenteller, die Pixies verstummten.
»Als das hier angeblich geschrieben wurde, gab es noch gar keine Freiheitsstatue. Der Brief ist eine verdammte Fälschung.« Er sah Rascal tief in die Augen. »Jemand will mich in eine Falle locken!«
63. Kapitel
Ich erinnere mich, ich wurde in eine Falle gelockt.
Das Standbild von Seth war groß und es war schön. Schön wie Seth selbst. Die Menschen, die kamen, es zu betrachten, riefen »Ah!« und »Oh!« bei seinem Anblick. Die Arbeiter warfen die Äxte von sich und schabten mit scharfen Klingen die Kanten aus seinem Gesicht. Und als es fertig war, kamen alle und riefen: »Das ist Seth und er ist mächtig und wir wollen ihm mit
Weitere Kostenlose Bücher