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Die Rueckkehr des Daemons

Die Rueckkehr des Daemons

Titel: Die Rueckkehr des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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Lasst mich gehen!«, bettelte er. »Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt!«
    Ihre Lippen bewegten sich nicht.
    Die Masken!, durchzuckte es Sid. Es sind nur die Masken! Er zwang seine Füße weiterzugehen.
    Sie können mir nichts tun!
    Mit eckigen Bewegungen taumelte er an ihnen vorbei. Endlich, nach einer Ewigkeit, erreichte er die Wohnungstür. Sie war unverschlossen. Sid drehte den Türknauf und verließ sein stickiges Gefängnis.
    Unten auf der Straße ging es besser. Der leichte Nieselregen erfrischte ihn, der Sauerstoff befreite seine Lunge, die Stille der Nacht gab ihm Kraft. Die Blicke der vorbeischlendernden Passanten waren ihm völlig egal. Ohne zu zögern, öffnete er seinen Reißverschluss und pinkelte den Tee auf den Bürgersteig. Sein Urin roch leicht nach Kümmel, sofort wurde ihm wieder schwindlig.
    Als der uniformierte Wachmann auf die Straße gerannt kam und ihn mit wütenden Schimpfworten eindeckte, begann Sid zu rennen. Ohne anzuhalten oder sich umzudrehen, verschwand er in der nächsten U-Bahn-Station.
    Nur an einem Ort der Stadt fühlte er sich jetzt noch sicher und das war ausgerechnet die unsicherste Gegend von ganz New York: die South-Bronx. Je weiter sich die U-Bahn nach Manhattans Norden in die Erde bohrte, desto mulmiger wurde Sid zumute. War das wirklich eine gute Idee? Die sonst allgegenwärtigen Anzugträger waren längst aus dem Untergrund verschwunden. In der Dunkelheit krochen die Opfer New Yorks auf die Straßen. Nach Mitternacht waren die U-Bahnen nicht mehr die Arterien der Stadt, sie verwandelten sich in ihre Därme. Jetzt wurde hier der Abfall verdaut, menschliche Wracks, Ausgestoßene, Drogensüchtige, Alkoholiker, Irre. Wesen, die nichts zu fürchten hatten. Auf manche Weise eine schöne Lebensform, die Freiheit von Angst. Freiheit.
    Als sich mehr und mehr Sitze leerten, wechselte Sid den Waggon.
    »Geh in der Mitte der Straße!«, hatte ihn Rascal ermahnt. Das musste auch für den Subway gelten.
    Ein stämmiger Weißer in abgerissenen Hosen bahnte sich schwankend seinen Weg auf Sid zu. Er war barfuß, auf dem Rücken trug er ein riesiges Holzkreuz. Mehrmals blieb er an den Haltegriffen hängen.
    »Tue Buße!«, jaulte er durch den Wagen. »Das Ende ist nahe! Tue Buße, mein Junge. Jesus lebt! Er kommt, um uns alle zu erlösen!«
    Sid atmete auf, als der Mann an der nächsten Station ausstieg. Jetzt stiegen drei dunkelhäutige Hünen ein, gekleidet wie Vorzeigerapper aus MTV -Videos. Unangenehm berührt musste Sid feststellen, dass er ohne den Prediger nun der einzige Weiße im Abteil war. Er hatte das Gefühl, ein Eindringling zu sein. Sid starrte auf den Boden.
    Nur nicht hinsehen!, sagte er sich gebetsmühlenartig vor. Dann lassen sie dich schon in Ruhe! Aus dem Augenwinkel sah er, dass sein Trick nicht funktionierte. Ein Schwarzer mit einer Nike-Jacke löste sich von seiner Gang.
    »Hey, Weißbrot!« Er tippte Sid mit dem Fuß an. »Du brauchst Stoff? Was willst du kaufen? Nickelbags, smoke, sense, speed, ludes, smack, crack ?«
    Sid spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. Vor Angst brachte er keinen Piep heraus. Er zwang sich einfach weiter nach unten zu sehen. Der Junge vor ihm spuckte verächtlich auf einen Sitz, dann ging er zu seinen Freunden zurück, sie mussten aussteigen.
    Jetzt war Sid alleine im Waggon. Er holte tief Luft. Wäre er doch schon bei Rascal! Aber vielleicht war sie ja gar nicht da? Ihm fiel der Schnipsel wieder ein, den er immer noch bei sich haben musste, wenn ihn seine Eltern nicht durchsucht hatten. Dankbar zog er Rascals Telefonnummer aus der Tasche. Auch sein Handy war noch da. Nach dreimaligem Tuten nahm Rascal ab.
    »Welcher Vollidiot ruft mich mitten in der Nacht an?«, schimpfte sie.
    Sid fand es toll, ihre Stimme zu hören. »Ich bin es, Sid. Du musst mich verstecken. Kann ich kommen?«
    Rascal klang plötzlich hellwach. »Klar, wo bist du?«
    »In der U-Bahn. Ich bin gleich bei dir!«
    »In fünf Minuten bin ich am Bahnhof. Und tue mir einen Gefallen: Steck dein verdammtes Handy in die Tasche, bevor es der Falsche sieht!«
    Sid schluckte. Er hörte Rascal nicht mehr, sie hatte aufgelegt. Aber er hörte etwas anderes. Ein Messer klickte. Ein Mann mit tätowiertem Gesicht, zwei Waggons weiter, stierte ihn entschlossen an. Sid sprang auf und rüttelte an der Tür. Der Mann beeilte sich, näher zu kommen. Im letzten Moment erreichte die Bahn die nächste Station. Sid riss die Tür auf und sprang nach draußen. Ein knutschendes Pärchen

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