Die Rückkehr des Drachen
Tausende von Malen hier gewesen. Aber sie konnte sich an nichts erinnern. Was mache ich im Saal des Rats? Licht, sie werden mir die Haut bei lebendigem Leib abziehen, wenn sie merken, daß ich... Ihr war nicht klar, was sie merken würden, nur flehte sie das Licht an, daß sie nichts bemerkten.
Der Weg zurück erscheint nur...
Der Weg zurück erscheint...
Der Weg...
Die Schwarzen Ajah warten. Der Gedanke zumindest war vollständig. Er kam von überall her. Warum schien sonst niemand ihn zu hören?
Sie setzte sich auf den Stuhl des Amyrlin-Sitzes - den Stuhl, der selbst der Amyrlin-Sitz war -, und ihr wurde klar, daß sie keine Ahnung hatte, was sie nun tun sollte. Die anderen Aes Sedai hatten sich gleichzeitig mit ihr hingesetzt, bis auf Beldeine, die neben ihrem Stab stand und nervös schluckte. Alle schienen auf sie zu warten. »Beginnt«, sagte sie schließlich.
Das schien auszureichen. Eine der Sitzenden für die Roten stand auf. Egwene war erschrocken, als sie in ihr Elaida erkannte. Zugleich wußte sie auch, daß Elaida die Anführerin der Roten und ihre erbittertste Feindin war. Der Blick, mit dem Elaida sie über den Saal hinweg ansah, ließ Egwene erzittern. Er war streng und kalt und -triumphierend. Er versprach Dinge, an die sie lieber nicht dachte.
»Bringt ihn herein«, sagte Elaida laut.
Von einer der Rampen her - nicht der, über die Egwene hereingekommen war - ertönte das Knirschen von Stiefeln auf Steinboden: Menschen erschienen dort. Ein Dutzend Aes Sedai umgab drei Männer. Zwei davon waren kräftige Wachsoldaten mit der weißen Träne der Flamme von Tar Valon auf der Brust, und sie zogen an Ketten den dritten Mann stolpernd hinter sich her. Er wirkte wie betäubt.
Egwene riß es auf ihrem Stuhl nach vorn. Der Mann in Ketten war Rand. Mit halb geschlossenen Augen und gesenktem Kopf schien er beinahe zu schlafen. Er bewegte sich nur auf den Druck der Ketten hin.
»Dieser Mann«, verkündete Elaida, »hat sich zum Wiedergeborenen Drachen erklärt.« Ein Murmeln des Abscheus erklang vom Podest her. Nicht, daß die Zuhörerinnen überrascht schienen, aber es war wohl etwas, das sie nicht hören wollten. »Dieser Mann hat die Eine Macht benutzt.« Das Gemurmel wurde nun lauter, angeekelt und von Angst gefärbt. »Es gibt dafür nur eine Strafe, die in jedem Land bekannt und anerkannt ist, aber nur hier in Tar Valon verhängt wird, im Saal des Turmrats. Ich stelle den Antrag an den Amyrlin-Sitz, diesen Mann zu verurteilen und ihn einer Dämpfung zu unterziehen.«
Elaidas Augen glitzerten Egwene an. Rand. Was soll ich tun? Licht, was soll ich nur tun?
»Warum zögert Ihr?« wollte Elaida wissen. »Das Urteil wird seit dreitausend Jahren vollstreckt. Warum zögert Ihr, Egwene al'Vere?«
Eine der Grünen Sitzenden sprang auf. Der Zorn glühte auf ihrem sonst so ruhigen Gesicht. »Das ist eine Schande, Elaida! Zeigt dem Amyrlin-Sitz gefälligst Respekt. Respekt vor der Mutter!«
»Respekt«, antwortete Elaida kalt, »kann sowohl verloren wie auch gewonnen werden. Also, Egwene? Kann es sein, daß du nun endlich deine Schwäche zeigst, zeigst, daß du unfähig für dieses Amt bist? Kann es sein, daß du diesen Mann nicht verurteilen willst?«
Rand versuchte, den Kopf zu heben, scheiterte aber.
Egwene stand mühsam auf. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, daß sie die Amyrlin war und die Macht besaß, all diesen Frauen Befehle zu erteilen. Etwas anderes in ihr schrie ihr zu, sie sei eine Novizin, sie gehöre nicht hierher, etwas sei hier auf schreckliche Weise verdreht. »Nein«, sagte sie bebend. »Nein, ich kann nicht! Ich werde ihn nicht... «
»So verrät sie sich!« Elaidas Schrei übertönte Egwenes Versuch, weiterzusprechen. »Sie verurteilt sich selbst! Nehmt sie gefangen!«
Als Egwene den Mund erneut öffnete, war Beldeine an ihrer Seite. Dann traf der Stab der Behüterin Egwenes Kopf.
Schwärze.
Zuerst war da der Schmerz in ihrem Kopf. Unter ihrem Rücken befand sich etwas Hartes und Kaltes. Dann kamen die Stimmen durch. Gemurmel.
»Ist sie noch bewußtlos?« Es klang rauh wie eine Feile auf Knochen.
»Keine Sorge«, sagte eine Frau von weit, weit her. Sie klang nervös, ängstlich, und bemühte sich, beides nicht zu zeigen. »Sie wird behandelt, bevor sie weiß, was geschieht. Dann gehört sie uns, und wir können mit ihr machen, was wir wollen. Vielleicht übergeben wir sie Euch als Spielzeug.«
»Nachdem Ihr sie für Eure Zwecke benützt
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