Die Rückkehr des Drachen
Merrilin! Eine Frau! Licht, wir hätten sie fesseln können und sie der königlichen Garde morgen in Caemlyn übergeben! Licht, vielleicht hätte ich sie sogar laufen lassen. Ohne diese drei hätte sie niemanden mehr beraubt, und der einzige von ihnen, der noch am Leben ist, wird Tage brauchen, bis er wieder richtig sehen kann, und Monate, bis er wieder ein Schwert hält. Seng dich, Thom, es war nicht nötig, sie zu töten!«
Der Gaukler humpelte herüber zu der Frau und fegte mit dem Fuß ihren Umhang zur Seite. Der Dolch war halb aus ihrer Hand gerutscht. Seine Klinge war so breit wie Mats Daumen und zwei Handbreiten lang. »Hätte ich lieber warten sollen, bis du den da zwischen den Rippen hast, Junge?« Er zog sein eigenes Messer heraus und wischte die Klinge an ihrem Umhang ab.
Mat wurde bewußt, daß er das Lied ›Sie trug eine Maske, die ihr Gesicht verbarg‹ summte, und er hörte sofort auf damit. Er bückte sich und zog den Umhang über ihr Gesicht. »Am besten reiten wir weiter«, sagte er leise. »Ich möchte das nicht den Gardesoldaten erklären müssen, falls welche vorbeikommen.«
»Und sie trägt solche Kleider?« sagte Thom. »Ich würde sagen, sie haben die Frau eines Kaufmanns ausgeraubt oder die Kutsche irgendeiner Adligen.« Sein Tonfall wurde sanfter. »Wenn wir schon gehen, Junge, solltest du am besten dein Pferd satteln.«
Mat fuhr zusammen und riß seinen Blick von der toten Frau los. »Ja, sollte ich, nicht wahr?« Er sah sie nicht noch einmal an.
Solche Hemmungen hatte er in bezug auf die Männer nicht. Soweit es ihn betraf, verdiente jemand den Tod, der sich entschlossen hatte, zu rauben und zu morden, wenn er dieses Spiel verlor. Er hielt sich nicht lang mit ihnen auf, aber er wandte den Blick auch nicht ab, wenn er auf einen der Räuber fiel. Nachdem er seinen Hengst gesattelt und seine Sachen festgeschnallt hatte, ertappte er sich dabei, wie er den Mann mit der Armbrust betrachtete. An dessen Gesichtszügen war etwas Vertrautes. Es lag daran, daß durch das Flackern des Feuers ein Schatten auf das Gesicht fiel. Glück, sagte er sich. Immer wieder Glück.
»Der Armbrustschütze war ein guter Schwimmer, Thom«, sagte er, während er in den Sattel kletterte.
»Was für einen Unsinn quatscht du denn jetzt wieder zusammen?« Auch der Gaukler saß auf seinem Pferd und war viel mehr mit der Sicherheit seiner Instrumentenbehälter hinter dem Sattel beschäftigt als mit den Toten. »Wie kannst du wissen, ob er überhaupt schwimmen konnte?«
»Er hat es geschafft, aus einem kleinen Boot mitten auf dem Erinin und mitten in der Nacht heil ans Ufer zu kommen. Ich schätze, damit hat er wohl all sein Glück aufgebraucht.« Er überprüfte noch einmal die Riemen, die die Rolle mit Feuerwerkskörpern hielten. Wenn dieser Narr schon glaubte, einer davon sei von den Aes Sedai hergestellt, was hätte er dann gedacht, wenn alle auf einmal losgegangen wären?
»Bist du sicher, Junge? Unwahrscheinlich, daß es der gleiche Mann... Also, selbst du würdest bei einer solchen Wette nicht dagegenhalten.«
»Ich bin sicher, Thom.« Elayne, ich dreh dir den Hals um, wenn ich dich wieder in die Hände bekomme. Und auch den von Egwene und den von Nynaeve. »Und ich bin sicher, daß ich diesen verfluchten Brief loswerden will, bevor wir uns auch nur eine Stunde lang in Caemlyn aufhalten.«
»Ich sage dir, an dem Brief ist nichts weiter dran, Junge. Ich habe Daes Dae'mar schon gespielt, als ich jünger war als du, und ich erkenne einen Code oder eine Chiffre, selbst wenn ich nicht weiß, was sie zu bedeuten hat.«
»Also, ich habe dein Großes Spiel niemals gespielt, Thom, dein verfluchtes Spiel der Häuser, aber ich weiß, wenn jemand hinter mir her ist. Und sie würden mich nicht so lange und so weit jagen, nur um an das Gold in meinen Taschen zu kommen. Nicht einmal für eine ganze Truhe voll Gold. Es muß an dem Brief liegen.« Seng mich, hübsche Mädchen bringen mich immer wieder in Schwierigkeiten. »Ist dir nach all dem hier heute nacht noch nach Schlafen zumute?«
»So, wie ein unschuldiges Kind, Junge. Aber wenn du reiten willst, mache ich mit.«
Das Gesicht einer hübschen Frau ging Mat durch den Kopf, einer hübschen Frau mit einem Dolch im Hals. Du hattest kein Glück, hübsche Frau. »Also, reiten wir los!« sagte er energisch.
KAPITEL
45
Caemlyn
M at erinnerte sich noch vage an Caemlyn, aber als sie sich der Stadt in den frühen Morgenstunden kurz nach Sonnenaufgang näherten,
Weitere Kostenlose Bücher