Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Drachen

Die Rückkehr des Drachen

Titel: Die Rückkehr des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
gehorchen.« Sie folgte Leane mit hoch erhobenem Kopf hinaus.
     

KAPITEL
14
     

    Dornenstiche
    D ie Amyrlin sagte zunächst nichts. Sie ging zu den hohen Bogenfenstern hinüber und blickte über den Balkon hinweg in den darunterliegenden Garten. Die Hände hatte sie auf dem Rücken gefaltet. Minuten vergingen, bevor sie wieder etwas sagte, wobei sie den beiden immer noch den Rücken zuwandte.
    »Ich habe dafür gesorgt, daß die schlimmsten Dinge nicht bekannt wurden, doch wie lange kann man das geheimhalten? Die Dienerinnen wissen nichts von den gestohlenen TerAngreal, und sie bringen auch die Toten nicht mit der Abreise oder Flucht Liandrins und der anderen in Verbindung. Das war nicht leicht zu erreichen bei dem Klatsch unter der Dienerschaft. Sie glauben, Schattenfreunde hätten die Morde begangen. Und das stimmt ja sogar. Aber die Gerüchte erreichen auch die Stadt. Daß Schattenfreunde in die Burg eindringen und Morde begehen konnten. Das war nicht zu verhindern. Es verbessert unseren Ruf nicht gerade, ist aber immer noch besser als die Wahrheit. Wenigstens weiß niemand außerhalb der Burg, und auch nur wenige innerhalb, daß Aes Sedai getötet wurden. Schattenfreunde in der Weißen Burg. Pah! Ich habe mein ganzes bisheriges Leben damit verbracht, das abzuleugnen. Ich lasse das nicht zu. Ich werde sie ködern und ausnehmen und zum Trocknen an die Sonne hängen!«
    Nynaeve sah Egwene unsicher an. Die fühlte sich aber noch viel weniger wohl in ihrer Haut. Dann holte Nynaeve tief Luft. »Mutter, sollen wir noch weiter bestraft werden, außer dem, was Ihr uns bereits gesagt habt?«
    Die Amyrlin blickte sie über die Schulter hinweg an. Ihre Augen lagen im Schatten verborgen. »Euch noch weiter bestrafen? Das könnte man beinahe sagen. Einige werden meinen, ich hätte euch etwas geschenkt, euch erhoben. Jetzt werdet ihr bei dieser Rose den Stich der Dornen erst wirklich zu spüren bekommen.«
    Sie ging mit schnellen Schritten zu ihrem Stuhl hinüber und setzte sich. Dann schien ihre Eile wieder verflogen zu sein. Und ihre Unsicherheit hatte wohl zugenommen.
    Die Amyrlin unsicher dreinblicken zu sehen ließ Egwenes Magen brennen. Die Amyrlin war immer ruhig und ging voller Sicherheit ihren Weg. Die Amyrlin war die menschgewordene Stärke. Gegenüber all ihrer noch ungeschulten Macht besaß die Frau auf der anderen Seite des Tisches ein Wissen und eine Erfahrung, die ihr erlaubt hätten, sie um eine Spindel zu wickeln. Sie so plötzlich schwankend zu erleben - wie ein Mädchen, das wußte, sie mußte mit einem Kopfsprung in einen Teich eintauchen, von dem sie aber nicht wissen konnte, wie tief er war und ob auf seinem Grund Steine lagen - sie so zu erleben trieb Egwene einen eisigen Schreck bis ins Herz. Was meint sie mit dem Stich der Dornen? Licht, was will sie mit uns machen?
    Die Amyrlin befühlte ein geschnitztes, schwarzes Holzkästchen, das vor ihr auf dem Tisch stand, und blickte darauf, als sehe sie durch es hindurch etwas ganz anderes. »Es fragt sich, wem ich vertrauen kann«, sagte sie leise. »Ich sollte eigentlich wenigstens Leane und Sheriam vertrauen können. Aber kann ich mich darauf verlassen? Verin?« Ihre Schultern bebten in einem kurzen, lautlosen Lachen. »Ich vertraue Verin bereits mehr als mein Leben an, aber wie weit kann ich das noch treiben? Moiraine?« Sie schwieg einen Moment lang. »Ich habe immer geglaubt, daß ich Moiraine vertrauen kann.«
    Egwene war es unbehaglich. Wieviel wußte die Amyrlin? Sie konnte sie schlecht fragen - nicht den Amyrlin-Sitz. Wißt Ihr, daß ein junger Mann aus meinem Dorf, ein Mann, von dem ich annahm, daß ich ihn eines Tages heiraten würde, der Wiedergeborene Drache ist? Wißt Ihr, daß zwei Eurer Aes Sedai ihm helfen? Wenigstens war sie sicher, daß die Amyrlin nichts von ihrem Traum letzte Nacht wußte, als sie von ihm geträumt hatte, wie er vor Moiraine weglief. Sie glaubte jedenfalls darin sicher zu sein. Sie hielt weiter den Mund.
    »Wovon sprecht Ihr?« wollte Nynaeve wissen. Die Amyrlin blickte zu ihr auf, und sie mäßigte ihren Ton und fügte hinzu: »Verzeiht mir, Mutter, aber sollen wir noch mehr bestraft werden? Ich verstehe nicht, was Ihr da über Vertrauen sagt. Falls Ihr auf meine Meinung Wert legt, dann kann man Moiraine nicht vertrauen.«
    »So, das glaubt Ihr also?« sagte die Amyrlin. »Ein Jahr aus Eurem Dorf draußen, und Ihr glaubt schon, Ihr wüßtet genug, um zu entscheiden, welche Aes Sedai vertrauenswürdig ist und welche

Weitere Kostenlose Bücher