Die Rückkehr des Drachen
wird das von euch vermuten - nicht von einem Paar halb ausgebildeter Aufgenommener, die ich öffentlich gedemütigt habe.«
»Das ist verrückt!« Nynaeve hatte die Augen weit aufgerissen, als die Amyrlin die Schwarzen Ajah erwähnt hatte, und ihre Knöchel waren weiß vor Anstrengung, so verkrampfte sie ihre Hände in den Zopf. Sie sagte verbissen: »Das sind alles volle Aes Sedai. Egwene wurde noch nicht einmal zur Aufgenommenen erhoben, und Ihr wißt, daß ich nicht einmal eine Kerze anzünden kann, wenn ich nicht zornig bin - jedenfalls nicht frei willig. Welche Chance hätten wir da?«
Egwene nickte zustimmend. Ihre Zunge klebte am Gaumen. Die Schwarzen Ajah jagen? Da würde ich lieber einen Bären mit der Rute jagen. Sie will uns doch nur Angst einjagen und uns noch weiter bestrafen. Das muß es sein! Wenn es das war, was die Amyrlin versuchte, dann hatte sie nur zuviel Erfolg damit.
Die Amyrlin nickte ebenfalls. »Alles, was Ihr sagt, stimmt. Aber jede von euch ist Liandrin mehr als nur gewachsen, was die reine Geisteskraft anbelangt, und sie ist die stärkste von ihnen. Natürlich sind sie ausgebildet und Ihr nicht, und Ihr, Nynaeve, leidet im Moment noch unter weiteren Einschränkungen. Aber wenn man kein Ruder hat, Kind, dann muß eben eine Planke genügen, um das Boot ans Ufer zu paddeln.«
»Aber ich wäre doch nutzlos!« platzte Egwene heraus. Ihre Stimme überschlug sich beim Sprechen, doch sie hatte zuviel Angst, um sich zu schämen. Sie meint das wirklich so! O Licht, das war ernst gemeint! Liandrin hat mich den Seanchan übergeben, und nun will sie, daß wir dreizehn von der Sorte jagen! »Meine Studien, die Unterrichtsstunden, die Arbeit in der Küche! Anaiya Sedai wird sicher noch weiter mit mir arbeiten wollen, um herauszubekommen, ob ich zu den Träumern gehöre. Ich werde kaum Zeit zum Schlafen und Essen übrig haben. Wie kann ich da noch irgendwen jagen?«
»Ihr werdet die Zeit dazu finden müssen«, sagte die Amyrlin, die nun wieder kühl und ernst wirkte, als wäre die Jagd nach Schwarzen Ajah nicht schlimmer, als den Fußboden zu fegen. »Als Aufgenommene wählt Ihr Eure eigenen Studiengebiete aus, innerhalb gewisser Grenzen natürlich, und auch die Unterrichtszeiten. Und die Regeln sind bei den Aufgenommenen ein wenig lockerer. Ein wenig. Sie müssen aufgespürt werden, Kind.«
Egwene sah Nynaeve an, doch alles, was die sagte, war: »Warum schließt Ihr Elayne nicht hierbei mit ein? Es kann ja wohl nicht sein, daß Ihr glaubt, sie sei eine Schwarze Ajah! Hat es damit zu tun, daß sie die TochterErbin von Andor ist?«
»Schon beim ersten Wurf ein volles Netz, Kind. Wenn ich könnte, würde ich sie bei euch lassen, aber im Moment macht mir Morgase schon genug Ärger. Wenn ich sie bearbeitet und auf den rechten Pfad zurückgeführt habe, wird Elayne sich euch möglicherweise anschließen. Vielleicht.«
»Dann haltet doch auch Egwene heraus«, sagte Nynaeve. »Sie ist ja kaum alt genug, um eine Frau genannt zu werden. Ich werde schon für euch jagen.« Egwene gab einen protestierenden Laut von sich - Ich bin eine Frau! -, doch die Amyrlin kam ihr zuvor.
»Ich will euch nicht als Köder benützen, Kind. Wenn ich hundert von euch hätte, wäre ich immer noch nicht glücklich, aber da ihr nur zu zweit seid, muß es eben so gehen.«
»Nynaeve«, sagte Egwene, »ich verstehe dich nicht. Meinst du damit, daß du das wirklich tun willst?«
»Es ist nicht gerade das, was ich tun möchte«, sagte Nynaeve müde, »aber ich mache mich lieber auf die Jagd nach ihnen, als hier herumzusitzen und mich zu fragen, ob die Aes Sedai, die mich gerade unterrichtet, vielleicht ein Schattenfreund ist. Und was immer sie vorhaben: Ich werde nicht darauf warten, bis sie soweit sind.«
Egwene verursachte ihre eigene Entscheidung Magenschmerzen, aber sie sagte tapfer: »Dann mache ich mit. Ich will genausowenig wie du herumsitzen und warten.« Nynaeve öffnete den Mund und Egwene fühlte einen Moment lang Zorn in sich aufsteigen. Das war aber nach all der Angst wie eine Erleichterung. »Und wage ja nicht wieder, zu sagen, ich sei zu jung. Wenigstens kann ich die Macht benützen, wann immer ich will. Die meiste Zeit über. Ich bin kein kleines Kind mehr, Nynaeve.«
Nynaeve stand da, zog an ihrem Zopf und sagte kein Wort. Schließlich jedoch lockerte sich ihre Haltung. »Du bist keines mehr, ja? Ich habe mir eingeredet, daß du eine Frau seist, aber ich glaube, ich habe es innerlich einfach nicht begreifen
Weitere Kostenlose Bücher