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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Haaalt! Ich bin nicht tot! Ich bin nicht tot!
    Dann prasselte die Erde plötzlich nicht mehr auf mich nieder. Ich spürte eine Stille und absolutes Schweigen, intensiver, als ich es je erlebt hatte. Nur noch mein mühsames Atmen war zu hören und mein Herz, das hämmerte wie eine Kesselpauke. Ich war allein in der kalten Erde. Völlige Schwärze. Einsamkeit. Eiskalte Angst zerriß meine Eingeweide. Ich war begraben.
    Warum habe ich das mit mir machen lassen? dachte ich in einem Augenblick rationaler Überlegung. Dann verblaßte auch dieser Gedanke, und ich geriet in Raserei. Verzweifelt drückte ich meine Hände
wie Klauen gegen das unüberwindliche Gewicht der Erde. Ich stieß lautlose Schreie aus. Und gerade in dem Augenblick, als die Erde mir die Luft aus den Lungen zu drücken begann, gab der Boden unter mir plötzlich nach, und ich stürzte in einen unterirdischen Tunnel. Ich grub und wühlte wie verrückt, würgte und keuchte, spuckte Schmutz aus Mund und Nase und befreite mich von der feuchten Erde.
    Dann kroch ich wie ein Wurm auf dem Bauch durch einen langen Tunnel, hinauf oder hinunter – ich weiß es nicht. Ich mußte hier heraus. Heraus! Heraus … wiederholte meine innere Stimme in rhythmischem, verängstigtem Gestammel. Ich konnte mich nur vorwärtszwängen; es war nicht genügend Platz, um mich umzudrehen. Mit Schrecken entdeckte ich, daß der Tunnel immer schmaler und enger wurde, bis ich mich schließlich kaum noch bewegen konnte.
    Als ich noch klein war, hatten mich ein paar größere Jungen einmal in einen Leinensack gesteckt und angekündigt, mich lebendig zu begraben. In Wirklichkeit steckten sie mich nur in eine alte Truhe. Da lag ich in der Schwärze gefangen und wurde rasend vor Angst – ich sabberte, machte meine Hosen naß, benahm mich völlig hysterisch. Das jagte ihnen Angst ein, und sie ließen mich wieder frei.
    Seitdem hatte ich immer wieder geträumt, in engen, dunklen Räumen eingeschlossen zu sein. Und jetzt waren meine schlimmsten Alpträume wahr geworden; ich empfand nackte, unerträgliche Angst. Ich fürchtete mich so sehr, daß ich nur noch den einen Wunsch hatte: bewußtlos zu werden und zu sterben.
    Schweiß und Schmutz brannten in meinen Augen. Ich kämpfte mich weiter vorwärts und zog die Schultern eng zusammen, aber es half nichts. Ich kam nicht weiter. Ich gab verzweifelte Laute von mir, Schreie der Angst und Verzweiflung, doch sie erstarben rasch. Ich saß hier fest und würde ersticken. Wieder begann ich zu schreien und kläglich vor mich hin zu wimmern.
    Doch dann hatte ich das Gefühl, irgendwo vor mir ein blasses Licht zu sehen – oder spielte meine Phantasie mir einen Streich? Ich zwängte mich noch ein paar Zentimeter weiter nach vorn und spähte um einen leichten Knick in dem wieder breiter werdenden Tunnel. Zentimeterweise wühlte ich mich vorwärts, dem Licht entgegen –
schwitzend, mein Gesicht verschmiert von der Erde, die mir dauernd in die Augen fiel.
    Doch eines hatte sich tief in mein Körpergedächtnis eingegraben. Immer wenn ich nicht mehr weiterkonnte, würde ich mich daran erinnern: Nur noch ein paar Zentimeter, nur noch ein paar Minuten, nur noch ein paar Sekunden …
    Ich blickte auf, meine Sicht umnebelt von dem Schmutz, der mir immer wieder ins Gesicht rieselte, und hatte das Gefühl, vor mir eine Öffnung zu sehen. Ja, es war eine Öffnung – ich war mir ganz sicher! Als ich sie erreicht hatte, versuchte ich den Kopf hindurchzuzwängen. Aber ich blieb stecken. Das Loch war zu schmal! Mir war, als würde mein Kopf von tausend Händen zerquetscht. Verzweifelt stemmte ich mich gegen die Erde über mir. Allmählich gab sie nach, und dann hatte ich es plötzlich geschafft. Raum! Freiheit! Mir war, als würde ich neu geboren.
    Blind vor Schweiß und Staub zog ich meinen Körper aus der Erde. Dann fiel ich in einen Abgrund. Unter mir sah ich den weit aufgerissenen Rachen und die Giftzähne einer riesigen Schlange. Schreiend stürzte ich in den Rachen hinein.
    Das nächste, woran ich mich erinnere, war, daß ich in einem Zimmer saß, das ich noch nie gesehen hatte. Ich saß zusammengekauert in einer Ecke, von Wahnvorstellungen gepeinigt. Draußen wartete der Feind auf mich. Alle waren Feinde. Niemand verstand mich. Ich war allein; aber ich würde überleben. Sie wollten meinen Besitz – eine Gefriertruhe mit Nahrungsmitteln, die in meiner Nähe stand. Aber die würden sie nicht bekommen. Eher würde ich diese Kerle umbringen! Neben mir stand

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