Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
Vom Netzwerk:
vorbei.«
    Noch ein paar Sekunden vergingen, bis mir klar wurde, daß ich immer noch Augen, ein Gesicht und einen Körper hatte. Hier in Mama Chias Armen war ich geborgen. Ich entspannte mich. Dann stieg ein Schluchzen in mir auf. Ich konnte nur noch stoßweise atmen und fing an zu weinen. Keuchend umklammerte ich ihre Hand und stieß hervor: »Es … Es war wie eine Fahrt durch die Hölle.«
    »Nur durch deine eigene Hölle, Dan – jeder Mensch erschafft sich seine Hölle selbst. Du hast nur einen Rundgang durch den ersten Stock gemacht, den Bereich der Angst und Isolation, des hirnlosen unbeseelten Instinkts, der um jeden Preis ums Überleben kämpft. Krieger stellen sich ihren Dämonen mutig entgegen. Indem du dich deinen gestellt hast, hast du sie vernichtet«, erklärte Mama Chia sanft.

    Endlich hörte ich auf zu weinen. Mein Atem ging wieder ruhiger und gleichmäßiger. Erschöpft schlief ich ein.
     
    Als ich erwachte, wurde es bereits wieder hell. »Ist es denn schon Morgen?« fragte ich mit schwacher Stimme.
    Mama Chia stand auf und wies auf die Umgebung. »Schau dich einmal um, Dan«, sagte sie. »Fällt dir etwas auf?«
    Langsam erhob ich mich, erschöpft von all der Anspannung, und blickte mich um. Ein Vogel setzte sich auf einen Grabstein und begann vor sich hin zu zwitschern. Sein Lied stieg in den blauen Himmel hinauf. Hellgrüne Flechten und Moose schmückten die Felsen. Die ganze Gegend war von einer Atmosphäre des Friedens und der Ehrfurcht erfüllt.
    »Es ist alles anders als vorher«, meinte ich.
    »Nein«, widersprach sie. »Du bist anders.«
    »Du meinst, ich habe alle meine Ängste aus dem Weg geräumt?« forschte ich.
    »O nein – du wirst immer wieder Ängsten ins Auge sehen müssen«, versicherte sie mir. »Vielleicht der Angst, deine Gefühle zu zeigen, deine Empfindungen zum Ausdruck zu bringen – oder der Angst, vor größeren Gruppen zu sprechen, zu versagen, dich lächerlich zu machen oder dich Menschen gegenüber durchzusetzen, die dir irgendwie überlegen vorkommen, mächtiger als du. Solange du ein Ich hast, werden immer wieder neue Ängste in dir aufsteigen. Aber du hast deine Einstellung gegenüber der Angst geändert. Sie wird dich nie wieder überwältigen; wenn sie kommt, wirst du wissen, wie du mit ihr umzugehen hast.«
    »Wäre es eigentlich gefährlich, wenn ich vor gar nichts mehr Angst hätte?«
    Mama Chia schwieg einen Augenblick; dann erklärte sie: »Angst kann einen gerade in dem Augenblick lähmen, in dem man eigentlich entschlossen handeln müßte. Das ist gefährlich. Sie schwächt die Körperenergie, und dadurch zieht man gerade die Dinge an, vor denen man sich am meisten fürchtet. Das Gegenteil der Angst ist nicht Draufgängertum; das Gegenteil von Angst ist Mut. Mut
schafft Raum zum Handeln. Aber auch als mutiger Mensch wird man immer noch Vorsicht walten lassen, wenn sie angebracht ist.«
    Immer noch ungläubig sagte ich: »Ich kann mir aber nach wie vor Situationen und Menschen vorstellen, die mir Angst einjagen.«
    »Angst ist weder in Menschen noch in Situationen enthalten. Diese können nur Angst in dir wachrufen, weil du ihrer noch nicht Herr geworden bist.
    Angst ist ein sehr guter Diener, aber ein furchtbarer Herrscher. Bei den meisten Menschen erfüllt sie das ganze Leben, jede Sekunde. Du wirst sie nicht vermissen, das kann ich dir versichern. Wenn du deine Ängste besiegst, indem du trotz dieser Ängste mutig handelst, dann beginnt dein Leben zu blühen. Dann schaust du aus den Fenstern des zweiten Stockwerks und siehst eine ganz andere Welt.
    Aber im ersten Stock geht es nicht nur um Angst und Überleben, sondern auch um das Problem ›ich gegen das ganze Universum‹ – um den Menschen, der seine Energie egoistisch hortet, um sich zu schützen. Jetzt bist du offen und verletzlich und daher bereit, deine ganze Energie ins Leben einzubringen, sie in Beziehungen mit anderen Menschen zu teilen.«
    »Du meinst, jetzt bin ich soweit, die Tür Nummer zwei zu finden?« fragte ich lächelnd.
    »Die hast du schon gefunden«, entgegnete sie und lächelte zurück. »Hier, als du in meinen Armen weintest.« Bei diesen Worten ging ein leuchtender Schimmer von ihr aus, und sie löste sich direkt vor meinen entgeisterten Blicken in Luft auf. Dann verschwand alles um mich her. Wieder sah ich ein paar Sekunden lang den Turm vor mir, und dann stand ich in einer Waldlichtung im zweiten Stockwerk. Ja, es war der zweite Stock, da war ich mir ganz

Weitere Kostenlose Bücher