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Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Treppe hoch, und einen Augenblick später stürzte ein wild dreinblickender, ungestümer junger Mann bleich, zerzaust und zitternd in unser Zimmer. Er sah uns beide nacheinander fragend an, und unsere fragenden Blicke machten ihm bewußt, daß er uns für seinen wenig feierlichen Eintritt eine Rechtfertigung schuldete.
    »Es tut mir leid, Mr. Holmes«, schrie er. »Sie dürfen mir keinen Vorwurf machen. Ich bin dem Wahnsinn nahe. Mr. Holmes, ich bin der unglückliche John Hector McFarlane.«
    Er verkündete dies, als erkläre dieser Name allein seinen Besuch und sein Gebaren, doch bemerkte ich an der teilnahmslosen Miene meines Gefährten, daß ihm dieser ebenso wenig sagte wie mir.
    »Bedienen Sie sich, Mr. McFarlane«, sagte er, indem er ihm sein Zigarettenetui zuschob. »Ich bin davon überzeugt, mein Freund Dr. Watson hier würde Ihnen bei diesen Symptomen ein Beruhigungsmittel verordnen. Das Wetter war in den letzten Tagen ja überaus warm. Nun, wenn Sie sich jetzt ein wenig gelassener fühlen, würde ich mich freuen, wenn Sie sich auf diesen Stuhl setzten und uns ganz langsam und ruhig erzählten, wer Sie sind und was Sie wünschen. Sie sprachen Ihren Namen so aus, als ob ich ihn kennen müßte, aber ich versichere Ihnen, daß ich – abgesehen von den augenscheinlichen Tatsachen, daß Sie Junggeselle, Rechtsanwalt, Freimaurer und Asthmatiker sind – nicht die geringste Kenntnis von Ihnen habe.«
    Vertraut, wie ich mit den Methoden meines Freundes war, fiel es mir nicht schwer, seinen Schlüssen zu folgen und die Ungepflegtheit des Äußeren, das Bündel juristischer Texte, das Amulett an der Uhr und das Keuchen, worauf sie beruhten, wahrzunehmen. Unser Klient freilich blickte verblüfft genug drein.
    »Ja, all dies bin ich, Mr. Holmes, und darüber hinaus bin ich derzeit der unglücklichste Mann in ganz London. Lassen Sie mich um Himmels willen nicht im Stich, Mr. Holmes! Wenn man mich verhaften kommt, ehe ich meine Geschichte zu Ende erzählt habe, veranlassen Sie die Leute, mir Zeit zu geben, damit ich Ihnen die ganze Wahrheit sagen kann. Ich könnte frohen Herzens ins Gefängnis gehen, wenn ich nur wüßte, daß Sie draußen für. mich wirken.«
    »Sie verhaften!« sagte Holmes. »In der Tat höchst erfr … höchst interessant. Was glauben Sie, unter welcher Anklage Sie verhaftet werden sollen?«
    »Unter dem Verdacht, Mr. Jonas Oldacre aus Lower Norwood ermordet zu haben.«
    Auf dem ausdrucksvollen Gesicht meines Gefährten zeigte sich ein Mitgefühl, das, fürchte ich, nicht frei von Befriedigung war.
    »Na sowas!« sagte er; »eben erst beim Frühstück sagte ich zu meinem Freund Dr. Watson, aufsehenerregende Fälle seien aus unseren Zeitungen verschwunden.«
    Unser Besucher streckte eine bebende Hand aus und ergriff den
Daily Telegraph,
der noch immer auf Holmes’ Knie gelegen hatte.
    »Wenn Sie hingesehen hätten, Sir, hätten Sie mit einem Blick erkannt, aus welchem Anlaß ich heute morgen zu Ihnen komme. Es kommt mir vor, als müßten mein Name und mein Unglück in aller Munde sein.« Er schlug die Zeitung um und wies auf die Mittelseite. »Da steht’s. Und mit Ihrer Erlaubnis werde ich es Ihnen vorlesen. Hören Sie, Mr. Holmes: die Schlagzeilen lauten: RÄTSELHAFTER FALL IN LOWER NORWOOD. BEKANNTER BAUMEISTER VERSCHWUNDEN. VERDACHT AUF MORD UND BRANDSTIFTUNG. HINWEIS AUF DEN TÄTER. Dieser Hinweis wird bereits verfolgt, Mr. Holmes, und ich weiß, er führt unweigerlich zu mir. Seit der London Bridge Station folgt man mir, und ich bin sicher, man wartet nur noch auf den Haftbefehl. Es wird meiner Mutter das Herz brechen – es wird ihr das Herz brechen!« Er rang in ahnungsvoller Qual die Hände und schwankte auf seinem Stuhl vor und zurück.
    Interessiert betrachtete ich diesen Mann, der eines Gewaltverbrechens beschuldigt wurde. Er hatte flachsfarbenes Haar, sah gut aus, aber auf eine schlappe, unleidliche Art: dazu seine erschrockenen blauen Augen und ein glattrasiertes Gesicht mit einem schwachen, sensiblen Mund. Er mochte etwa siebenundzwanzig Jahre alt sein; seinem Anzug und Gebaren nach war er ein Gentleman. Aus der Tasche seines hellen Sommermantels ragte das Bündel indossierter Papiere, das seinen Beruf verriet.
    »Wir müssen die Zeit nutzen, die uns noch bleibt«, sagte Holmes. »Watson, wären Sie so freundlich, die Zeitung zu nehmen und mir den fraglichen Artikel vorzulesen?«
    Unter den lärmenden Schlagzeilen, die unser Klient bereits zitiert hatte, las ich folgende vielsagende

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