Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
ich. »Mein lieber Freund, ich bin überglücklich, Sie zu sehen. Setzen Sie sich, und erzählen Sie mir, wie Sie dieser schrecklichen Schlucht lebendig entrinnen konnten.«
    Er nahm mir gegenüber Platz und entzündete auf seine alte nonchalante Art eine Zigarette. Er trug noch den schäbigen Gehrock des Buchhändlers, der Rest dieses Individuums aber lag in einem Haufen weißen Haars und alter Bücher auf dem Tisch. Holmes wirkte noch dünner und feiner als früher, aber auf seinem Gesicht lag ein Hauch von Totenblässe, die mir sagte, daß er in letzter Zeit kein gesundes Leben geführt hatte.
    »Ich bin froh, mich strecken zu können, Watson«, sagte er. »Es ist kein Spaß für einen großen Mann, wenn er sich stundenlang hintereinander einen Kopf kleiner machen muß. Nun, mein lieber Freund, im Zuge dieser Erklärungen haben wir, wenn ich um Ihre Mitarbeit bitten darf, eine schwere und gefährliche nächtliche Arbeit vor uns. Ich sollte Ihnen vielleicht den ganzen Stand der Dinge lieber erst dann berichten, wenn diese Arbeit vollendet ist.«
    »Ich bin überaus neugierig. Viel lieber möchte ich es jetzt hören.«
    »Sie begleiten mich heut nacht?«
    »Wann Sie wollen und wohin Sie wollen.«
    »Wahrlich wie in alten Zeiten. Wir werden noch Zeit haben, einen Happen zum Abendessen einzunehmen, ehe wir gehen müssen. Nun also zu jener Schlucht. Ich hatte keine ernstlichen Schwierigkeiten, dort herauszukommen, und zwar aus dem sehr einfachen Grund, weil ich nie darin gewesen bin.«
    »Sie sind nie darin gewesen?«
    »Allerdings, Watson, ich bin nie darin gewesen. Meine Nachricht an Sie war völlig ernst gemeint. Ich hatte kaum einen Zweifel, daß ich ans Ende meiner Karriere gelangt war, als ich die ziemlich finstre Gestalt des verstorbenen Professors Moriarty auf dem schmalen Pfad stehen sah, der auf sicheres Gelände führte. Ich las einen unumstößlichen Entschluß in seinen grauen Augen. Ich wechselte daher einige Bemerkungen mit ihm und erhielt seine freundliche Erlaubnis, die kurze Nachricht zu schreiben, die Sie dann später erhielten. Ich hinterließ sie mit meinem Zigarettenetui und meinem Stock und schritt über den Pfad, wobei mir Moriarty auf den Fersen folgte. Als ich ans Ende gelangte, war ich in die Enge getrieben. Er zog keine Waffe, sondern stürzte sich auf mich und schlang seine langen Arme um mich. Er wußte, daß er ausgespielt hatte, und war nur darauf aus, sich an mir zu rächen. Wir taumelten zusammen am Rande des Abgrunds. Ich besitze jedoch einige Erfahrung im Baritsu 3 , dem japanischen System des Ringkampfes, das mir schon mehr als einmal höchst nützlich gewesen ist. Ich entwand mich seinem Griff, und er strampelte mit entsetzlichem Kreischen einige Sekunden lang wie wahnsinnig herum und hieb mit beiden Händen in die Luft. Doch all seinen Anstrengungen zum Trotz vermochte er sein Gleichgewicht nicht wiederzufinden und stürzte ab. Ich hatte mich über den Rand vorgeschoben und sah ihn lange Zeit fallen. Dann streifte er einen Felsen, prallte ab und klatschte ins Wasser.«
    Dieser Erklärung, die Holmes zwischen den Zügen an seiner Zigarette abgab, lauschte ich voller Erstaunen.
    »Aber die Spuren!« rief ich. »Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, daß zwei den Pfad hinabgingen und keine zurückkam.«
    »Dies kam so zustande: In dem Augenblick, da der Professor verschwunden war, kam mir der Gedanke, welch einen wirklich außerordentlich glücklichen Zufall mir das Schicksal beschert hatte. Ich wußte, daß Moriarty nicht der einzige war, der mir den Tod zugeschworen hatte. Es gab noch mindestens drei weitere Männer, deren Verlangen, sich an mir zu rächen, durch den Tod ihres Anführers nur noch gesteigert worden wäre. Sie waren allesamt sehr gefährlich. Der eine oder andere würde mich bestimmt erwischen. Andererseits, wenn die ganze Welt von meinem Tod überzeugt wäre, würden diese Männer sich Freiheiten herausnehmen, sich unverhohlen zeigen, und früher oder später könnte ich sie vernichten. Erst dann dürfte ich der Welt verkünden, daß ich noch unter den Lebenden weile. So rasch arbeitet das Gehirn, daß ich glaube, ich habe all dies zu Ende gedacht, noch ehe Professor Moriarty den Grund des Reichenbach-Falles erreicht hatte.
    Ich stand auf und untersuchte die Felswand hinter mir. In Ihrem pittoresken Bericht von der Sache, den ich einige Monate später mit großem Interesse las, behaupten Sie, die Wand steige senkrecht an. Das stimmt nicht ganz. Ein paar kleine

Weitere Kostenlose Bücher