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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Tasse abgestellt hatte.
    »Ich bin krankgeschrieben. Ich hatte nichts zu tun. Und immerhin habe ich Herbert Molin ziemlich gut gekannt.«
    »Zumindest hast du es geglaubt.«
    Stefan sagte sich, daß er den Mann, der ihm gegenübersaß, überhaupt nicht kannte. Trotzdem verspürte er das große Bedürfnis, von seiner Krankheit zu erzählen. Es war, als könne
    er es plötzlich nicht mehr aushalten, sein Elend allein zu tragen.
    »Ich bin aus Boras weggefahren, weil ich krank bin«, sagte er. »Ich habe Krebs und warte darauf, mit der Behandlung beginnen zu können. Ich hatte die Wahl zwischen Mallorca und Sveg. Ich habe mich für Sveg entschieden, weil ich mich gefragt habe, was Herbert Molin passiert ist. Jetzt frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war.«
    Giuseppe nickte. Sie saßen ein paar Minuten schweigend da.
    »Die Menschen wollen immer wissen, woher ich meinen Namen habe«, sagte Giuseppe. »Du hast nicht gefragt. Weil du an etwas anderes gedacht hast. Ich habe schon überlegt, was es war. Willst du darüber reden?«
    »Ich weiß es nicht. Eigentlich nicht. Aber ich wollte, daß du es weißt.«
    »Dann frage ich auch nicht.«
    Giuseppe beugte sich wieder zu seiner Tasche hinunter und holte einen Notizblock hervor. Er blätterte bis zu der Seite, die er suchte, und drehte den Block dann zu Stefan hin. Die Seite enthielt eine Skizze von Fußspuren, die ein Muster bildeten. Stefan erkannte sofort, daß sie die Blutspuren in Molins Haus darstellten. Er war am Abend zuvor durch Fotos, die sich in Giuseppes Ordnern befanden, daran erinnert worden. Gleichzeitig fiel ihm ein, daß er Giuseppe nicht erzählt hatte, daß er im Innern des Hauses gewesen war. Es wäre nur dumm, wenn er es verschweigen würde. Abraham Andersson hatte ihn gesehen und würde sicher noch einmal von der Polizei vernommen werden.
    Er sagte es, wie es war.
    Giuseppe schien sich überhaupt nicht zu wundern und wandte sich wieder dem Block zu. »Dies hier stellt die Grundschritte des faszinierenden Tanzes Tango dar.«
    Stefan blickte ihn fragend an. »Tango?«
    »Daran besteht kein Zweifel. Aber es bedeutet, daß jemand Molins Körper herumgeschleppt und bewußt blutige Fußabdrücke hinterlassen hat. Ich nehme an, du hast den vorläufigen Bericht des Gerichtsmediziners gelesen. Der Rücken von Riemen zerfleischt, die von der Haut eines bis auf weiteres unbestimmten Tieres stammen. Die Fußsohlen auf dieselbe Weise zerfetzt.«
    Stefan hatte den Bericht des Gerichtsmediziners mit großem Widerwillen gelesen. Die Bilder waren entsetzlich.
    »Man kann sich fragen, was das soll«, fuhr Giuseppe fort.
    »Wer schleppt ihn auf dem Fußboden herum? Warum? Und für wen sind diese blutigen Abdrücke eigentlich bestimmt?«
    »Es kann natürlich ein Gruß an die Polizei sein.«
    »Richtig. Aber die Frage bleibt, warum?«
    »Hast du an die Möglichkeit gedacht, daß sie fotografiert oder gefilmt worden sind?«
    Giuseppe steckte den Notizblock in die Tasche. »Das führt wieder zu der Schlußfolgerung, daß dies hier nicht irgendein gewöhnlicher kleiner Scheißmord ist. Hier sind andere Kräfte am Werk.«
    »Ein Wahnsinniger?«
    »Ein Sadist.«
    »Was war das eigentlich, was mit Molin gemacht worden ist? Folter?«
    Giuseppe nickte. »Anders kann man es kaum nennen. Und das bereitet mir Sorgen.«
    Giuseppe machte die Tasche zu. »Hat Herbert Molin in seinen Jahren in Boras Tango getanzt?«
    »Meines Wissens nicht.«
    »Wir werden es früher oder später erfahren.«
    Irgendwo im Speisesaal begann ein Kind zu schreien. Stefan blickte sich um.
    »Dies hier war das Theaterfoyer«, sagte Giuseppe. »Dort hinter der Bar lag der eigentliche Salon.«
    »Wir hatten in Boras auch einmal ein altes, schönes Holztheater«, erzählte Stefan. »Aber das hat man nicht zu einem Motel umgebaut, das hat man abgerissen. Damals haben sich viele drüber empört.«
    Das Kind schrie weiter. Stefan begleitete Giuseppe hinaus an die Rezeption.
    »Du solltest vielleicht doch nach Mallorca fliegen«, meinte
    Giuseppe. »Ich kann dich über das, was hier passiert, auf dem laufenden halten.«
    Stefan antwortete nicht. Giuseppe hatte recht. Es gab keinen Grund für ihn, noch länger in Härjedalen zu bleiben.
    Sie trennten sich draußen auf der Straße.
    Stefan ging in sein Zimmer hinauf, holte seinen Koffer, bezahlte und verließ Östersund. Auf den geraden Strecken hinunter nach Svenstavik fuhr er viel zu schnell. Dann verlangsamte er das Tempo. Er versuchte einen Entschluß zu

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