Die Rückkehr des Tanzlehrers
fassen. Wenn er sofort nach Boras zurückkehrte, hätte er immer noch Zeit, in den Süden zu fliegen. Nach Mallorca oder sonstwohin. Zwei Wochen könnte er fortbleiben. In Sveg zu bleiben würde seine Unruhe nur verstärken. Außerdem hatte er Giuseppe versprochen, sich nicht weiter in die Mordermittlung einzumischen. Giuseppe hatte ihm das Ermittlungsmaterial zugänglich gemacht. Jetzt konnte er nicht länger unter den Absperrbändern hindurchkriechen. Die Polizei in Östersund würde das Motiv für Herbert Molins Tod herausfinden. Sie waren es, die den Täter ausfindig machen sollten.
Der Entschluß ergab sich ganz von selbst. Er würde am nächsten Tag nach Boras zurückfahren. Der Ausflug nach Sveg war zu Ende.
Er fuhr weiterhin langsam. Die Tachonadel zeigte etwas über sechzig Stundenkilometer an. Immer wieder wurde er von Fahrern überholt, die fragend zu ihm hinüberblickten. Seine Gedanken kreisten um das, was er am Abend zuvor in Giuseppes Ordnern gelesen hatte. Die eigentliche Ermittlung schien sorgfältig und effektiv durchgeführt zu werden. Als der Notruf bei der Polizei eingegangen war, hatte der wachhabende Kriminalbeamte ordnungsgemäß reagiert. Die ersten Polizisten waren schnell vor Ort gewesen, und die Absperrung war vorschriftsmäßig vorgenommen worden. Drei Hundestreifen waren mit dem Hubschrauber aus Östersund geholt worden, und die Arbeit der Spurensicherung schien ebenfalls gründlich ausgeführt worden zu sein. Daß es Stefan gewesen war, der den Zeltplatz gefunden hatte, war reiner Zufall. Früher oder später hätte einer der Polizisten die gleiche Entdeckung gemacht. Die Vernehmung Hanna Tunbergs hatte das Bild Herbert Molins als eines Einzelgängers bestätigt. Aus der noch nicht abgeschlossenen Befragung der Nachbarn hatten sie eine eindeutige Schlußfolgerung gezogen. Niemand hatte verdächtige Bewegungen von Fahrzeugen oder Menschen in der Umgebung bemerkt. Torbjörn Lundell, der Mann aus dem Ica-Laden in Linsell, hatte nichts davon bemerkt, daß Herbert Molin besorgt gewesen war oder seine Gewohnheiten geändert hatte.
Alles war wie immer, dachte Stefan.
Aber in dieses unbewegliche Bild ist jemand hereingekommen, vermutlich über einen See paddelnd, der sein Zelt aufgeschlagen hat und dann zum Angriff auf den pensionierten Polizeibeamten übergegangen ist. Er hat den Hund getötet und Tränengas verwendet. Dann hat er den toten oder sterbenden Mann auf dem Fußboden herumgeschleppt und bewußt ausgewählte Fußabdrücke hinterlassen. Die Grundschritte des Tangos. Anschließend ist er wieder über den See davongepaddelt, und das Schweigen ist in den Wald zurückgekehrt.
Stefan meinte plötzlich, zwei vorläufige Schlußfolgerungen ziehen zu können. Die eine, daß sein früherer Gedanke richtig war: Es war die Angst, die Herbert Molin in sein Versteck im Wald geführt hatte.
Die zweite Schlußfolgerung ergab sich danach von selbst. Jemandem war es gelungen, ihn in seinem Versteck aufzuspüren.
Aber warum?
Anfang der fünfziger Jahre ist etwas passiert, dachte er. Herbert Molin verläßt das Militär und verschwindet hinter seinem neuen Namen. Er heiratet und bekommt zwei Kinder. Dennoch gibt es eine Lücke in bezug auf die Arbeit, mit der Herbert Molin seinen Lebensunterhalt verdient, bis er 1957 im Landespolizeiamt in Alingsäs anfängt. Konnten ihn Ereignisse, die fast fünfzig Jahre in der Vergangenheit lagen, jetzt eingeholt haben?
Weiter kam Stefan nicht. Seine Gedanken endeten hier. In Ytterhogdal hielt er an und tankte, bevor er weiter nach Sveg fuhr und den Wagen vor dem Hotel abstellte. Ein Mann saß in der Rezeption, den er vorher noch nicht gesehen hatte, aber er nickte ihm freundlich zu und reichte ihm den Schlüssel. Stefan ging in sein Zimmer hinauf, zog die Schuhe aus und streckte sich aufs Bett. Aus dem Raum nebenan war ein Staubsauger zu hören. Er setzte sich auf. Warum fuhr er nicht schon heute? Er würde es nicht bis zurück nach Boras schaffen, aber er könnte irgendwo unterwegs übernachten. Dann legte er sich wieder hin. Er würde nicht die nötige Energie aufbringen, eine Reise nach Mallorca zu organisieren. Der Gedanke, in seine Wohnung in der Alleegata zurückzukehren, bedrückte ihn. Dort würde er nur unruhig herumsitzen und daran denken, was ihn erwartete.
Unfähig, einen Entschluß zu fassen, blieb er auf dem Bett liegen. Der Staubsauger verstummte. Als es ein Uhr geworden war, entschied er sich, zu Mittag zu essen, obwohl er keinen Hunger
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