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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Baumstamm und sah durch das Fernglas zum Haus hinunter. Alle Fenster im Untergeschoß waren erleuchtet. Dann und wann ging die Tür auf, und jemand kam heraus oder ging hinein. Es standen nur zwei Wagen auf dem Hofplatz. Kurz nachdem er gekommen war, stiegen zwei Männer in einen von ihnen und fuhren davon. Da hatte auch jemand einen Teil des Lichts draußen im Wald gelöscht. Er ließ das Fernglas weiterwandern, bis er fand, wonach er suchte. Der Hund saß unbeweglich am äußersten Rand des Lichts, das aus einem der Fenster fiel. Jemand hatte ihm Fressen hingestellt.
    Er sah auf die Uhr. Halb elf. Um diese Zeit sollte er auf dem Heimweg vom La Cabana sein, wo er sich mit einem Kunden hätte treffen wollen. Das war zumindest das, was Maria glaubte. Er zog eine Grimasse bei dem Gedanken. Jetzt, wo er alles mit Abstand betrachtete, quälte es ihn, daß er Maria so oft belog. Er traf sich mit keinem Kunden im La Cabana, oder in irgendeinem anderen Restaurant. Er wagte es nicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Daß er nicht mit ihr zusammen essen, nicht auf ihre Fragen antworten, nicht ihre Stimme hören wollte. Mein ganzes Leben hat sich allmählich verengt und ist zu einem Pfad geworden, der aus Lügen besteht, dachte er. Auch das ist ein Preis, den ich bezahlt habe. Die Frage ist nur, ob ich Maria gegenüber ehrlicher sein kann, jetzt, nachdem ich Herbert Molin getötet habe. Ich liebe Maria. Aber ich weiß gleichzeitig, daß ich eigentlich lieber allein bin. Es ist ein Riß in mir zwischen dem, was ich tue, und dem, was ich will. Er besteht seit der Katastrophe damals in Berlin.
    Das Leben hat sich verengt.
    Was bleibt noch, außer einzusehen, daß das meiste schon verloren ist und nicht wiederkommt?
    Die Zeit verging langsam. Dann und wann segelte eine einsame Schneeflocke vom Himmel. Er hielt den Atem an und wartete. Schneefall konnte er jetzt am wenigsten gebrauchen. Er würde es ihm unmöglich machen, seinen Plan durchzuführen. Aber es fielen nur diese vereinzelten Flocken.
    Um kurz nach elf trat einer der Polizisten auf die Treppe und pißte. Er pfiff nach dem Hund, aber der reagierte nicht. Als er fertig gepißt hatte, kam ein anderer Mann mit einer Zigarette in der Hand heraus. In diesem Augenblick wurde Aaron bewußt, daß nur noch zwei Polizisten da waren. Zwei Männer, die Wache hielten.
    Er wartete. Es war still im Haus. Manchmal glaubte er, das Geräusch eines Fernsehers oder vielleicht eines Radios zu hören, aber er war sich nicht sicher. Er leuchtete auf den Boden und kontrollierte, daß er nichts vergessen hatte. Dann ging er vorsichtig auf der Rückseite des Hügels hinab. Eigentlich sollte er endlich tun, was er sich vorgenommen hatte, aber er konnte dem Gedanken nicht widerstehen, die Stelle zu sehen, an der Abraham Andersson getötet worden war. Es konnte sein, daß dort jemand Wache hielt. Jemand, den er übersehen hatte. Das war ein Risiko. Aber er wußte, daß er es eingehen mußte.
    Als er an den Waldrand hinuntergekommen war, schaltete er die Taschenlampe aus. Er bewegte sich sehr vorsichtig, tastete sich mit den Füßen voran und war die ganze Zeit darauf gefaßt, daß der Hund anschlagen würde. Auf der anderen Seite des Hofplatzes verschwand er wieder im Wald. Jetzt konnte er das Scheinwerferlicht ausnutzen, das zwischen den Bäumen leuchtete.
    Es war keine Wache da. Es war überhaupt nichts da. Nur ein einsamer Baum, an dem die Polizei verschiedene Zeichen angebracht hatte. Er wagte sich bis zum Baum vor und untersuchte den Stamm. Ungefähr in Brusthöhe war ein Teil der Rinde zerfetzt. Er runzelte die Stirn. Hatte Abraham Andersson an einem Baum gestanden, als er ermordet worden war? Dann mußte ihn jemand festgebunden haben. Und dann wäre der Mord eine Hinrichtung gewesen. Plötzlich brach ihm der kalte Schweiß aus. Er wandte sich um, aber niemand war da. Ich hatte es auf Herbert Molin abgesehen, dachte er. Dann ist jemand im Dunkeln hinter Abraham Andersson aufgetaucht, und jetzt habe ich das Gefühl, daß auch hinter mir jemand steht. Er glitt aus dem Licht und machte sich unsichtbar. Versuchte nachzudenken. Hatte er ein Spiel zwischen verschiedenen Kräften in Gang gesetzt, die er nicht kontrollieren konnte? Hatte er sich in etwas hineinbegeben, von dem er nichts geahnt hatte, als er endlich beschloß, seine Rache zu vollziehen? Er wußte es nicht. Die Fragen und die Angst wirbelten durch seinen Kopf. Während einiger Minuten war er nahe daran, das gleiche zu tun, was Herbert Molin

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