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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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seid, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden.«
    Das Zwielicht verdunkelte sich augenblicklich. Linden sah nur reines Ebenholzschwarz, als blicke sie in die umnachteten Herzen der Gräuelinger. Die Gerüche von Aas und frisch vergossenem Blut und Ablehnung wurden ihr ins Gesicht geschleudert. Der Boden unter ihren Stiefeln erbebte, als hätten die Knochen der Letzten Hügel zu zittern begonnen. Hell glänzend wie Messing erfüllte der Geschmack von toten Ästen und abgefallenem Laub ihren Mund.
    Stimmen zerkrallten ihre Haut. Sie wagt es, so zu sprechen. Mit uns. Als sie sich selbst antworteten, sprachen sie mit Reißzähnen. T rotzdem spricht sie wahr. Wir haben auf jene gehört, die nur Zerstörung wollen.
    Wir streben nach Verständnis.
    Wir streben nach einem Sinn. Unser Leben kreist um uns selbst.
    Trotzdem bedrohte die Heftigkeit der Stimmen Linden nicht mehr, betraf sie dieser Konflikt nicht.
    Sie haben gelogen. Und wenn schon?, wandten sie ein. Sie haben auch wahr gesprochen.
    Die Wahrheit kann Lügen tarnen. Sie kann irreführen.
    Trotzdem war es in der Tat Wahrheit. Oder etwa nicht? Haben wir das nicht anerkannt?
    Das haben wir getan. Uns ist ohne Umschweife mitgeteilt worden, dass wir eine egozentrische Spezies sind, gefühllos und überflüssig. Das Schöne, das wir erschaffen und bewundern, hat weder Bedeutung noch Zweck. Unser Wissen ist groß, unsere Kraft gewaltig, aber wir sind nur Spielzeug füreinander. Das ist die Wahrheit. Wir haben sie anerkannt.
    Linden stöhnte laut. Sie wand sich unter jeder Kralle und jedem Zahn. Eines stand außer Zweifel: Aus den Gräuelingern sprach wirklich die Bösartigkeit und alles zerfressende Bitterkeit der Wüteriche.
    Und haben wir nicht auch anerkannt, dass die übrige Welt uns deshalb für nutzlos halten könnte? Sind wir nicht auf der Suche nach Wahrheit hierher gekommen? Ist es nicht unsere v ornehmste Aufgabe, hier festzustellen, ob der Forsthüter uns tatsächlich verachtet? Erst wenn wir das wissen, können wir den Grund für seine Verachtung erforschen.
    Aber ist unsere Denkweise nicht fehlerhaft, wie die Baumliebhaberin behauptet hat?
    Sie ist voreingenommen. Ungerecht. Ihr eigenes Denken ist fehlerhaft.
    Nein, wollte sie protestieren. Nein. Jedes Wort, das ihr von den Wüterichen gehört habt, war gelogen. Selbst wenn es wahr geklungen hat. Ihr könnt nicht richtig zuhören ...
    Einverstanden , fuhren die Gräuelinger mit Stimmen fort, die ihr Fleisch zerfetzten, ihr den Mut raubten. Aber auch unsere Logik ist fehlerhaft. Wir erkennen an, dass wir gefühllos und überflüssig sind. Aber wir führen uns selbst in die Irre, wenn wir daraus schließen, dass wir deshalb für nutzlos gehalten werden. Die Auffassung der restlichen Welt kann nicht aus der Verachtung dieser von ihr als Wüteriche bezeichneten Wesen hergeleitet werden.
    Nein. Auf solche Weise haben wir uns nicht geirrt. Wir sind in diese Wälder gekommen, um Lüge und Wahrheit voneinander unterscheiden zu lernen.
    Wir haben uns genau auf diese Weise geirrt. Wir sind mit der Erwartung hergekommen, in diesen Wäldern zu entdecken, dass wir verachtet werden. Ist das klug? Ist das gerecht? Verdienen wir Verachtung, nur weil wir für Schönheit gelebt und die Bedürfnisse der Erde ignoriert haben?
    Das ist es!, bemühte Linden sich zu sagen, zu bestätigen. Genau das wollen die Wüteriche befördern: euren Selbsthass. Aber sie konnte noch immer nicht sprechen. Irgendwie hatten die Gräuelinger ihr die Stimme geraubt. Sie duldeten keine Einmischung in ihre kontroverse Debatte.
    Als Covenants Stimme » Jetzt, Linden! Lauf! « ihr unvermittelt durch alle Glieder fuhr, zögerte sie keinen Augenblick, obwohl sie nicht wusste, wo sie war, und keine Ahnung hatte, wohin sie rannte.
    Sie fürchtete einen Zusammenprall mit den aus dem Boden ragenden Felsnadeln, fürchtete zu fallen, fürchtete die Wut der Gräuelinger, wusste kaum noch, ob sie den Stab des Gesetzes weiter in den Händen hielt. Jeder Schritt brachte sie vom Nichts ins Nichts. Der Boden unter ihren Füßen klang schwankend wie Wasser; er fühlte sich erstickend wie Treibsand an. Trotzdem versuchte sie zu flüchten, strebte dem Ton oder Geruch höher gelegenen Geländes entgegen.
    Einen Augenblick lang glaubte Linden zu hören, dass die Gräuelinger schwarzen Wahnsinn gegen sie aufboten, doch dann öffnete sich eine Lücke in ihrem sich windenden Kribbeln. Durch diese Öffnung schickte Covenant einen Strom aus Hitze und Feuer in die Senke:

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