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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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hartnäckig, intelligent und wendig zugleich. Eine seltsame Mischung.«
    »Wie du.« Duke grinste schelmisch. Er kannte seinen Sohn, auch wenn der seit geraumer Zeit nichts mehr von seinen Aktivitäten durchblicken ließ. »Was machen die Geschäfte?«
    »Mach dir keine Sorgen, Duke. Dein Budget ist nach wie vor sicher angelegt und wirft ganz legal Rendite ab. Zwei Punkte über dem Leitzins. Was hast du da für eine Platte in der Hand?«
    »Mal sehen, ob du sie erkennst.«
    Sedem lauschte den ersten Takten und antwortete rasch. »Das ist doch ganz einfach. ›The Hawk Flies High‹ von Coleman Hawkins.«
    »Falsch«, rief Duke triumphierend. »Aber du hast es nur gesagt, um mich gewinnen zu lassen. Es ist wieder Fletcher Henderson: ›I Wish I Could Make You Cry‹.«

Zum Abgrund
    Alles ist schwarz. Das dornengespickte Lederhalsband zerrt an meinem Hals und schneidet mir schmerzhaft die Luft ab. Keuchend ziehe ich nach vorn, ich will laufen, nur laufen, doch mit einem heftigen Ruck werde ich zurückgerissen, würge und huste, Hiebe eines Lederriemens brennen auf meinem Rücken. Für einen Moment halte ich still und schaue voller Panik zu dem Mann hinauf, der über mich herrscht. Sein harter Schritt knirscht auf dem Schotter, er zieht mich weiter. Ich bin außer mir vor Wut und Haß, Demütigung und Verzweiflung, aber er ist mein Herrscher. Ihm gehorche ich.
    Vor ein paar Minuten zerrten sie mich aus dem Kofferraum, in dem ich während der hektischen Fahrt herumgeworfen wurde. Die Federung des Wagens war hart, jede Unebenheit der Fahrbahn schlug mir in die Knochen. Die letzten Meter führten über einen holprigen Weg mit tiefen Löchern. Abrupt wurde der Wagen abgebremst, die Steine knirschten unter den Reifen. Ich fiel gegen die Rückwand und harrte mit rasendem Pulsschlag darauf, was passieren würde. Die Autotüren schlugen dumpf ins Schloß, ich hörte die schweren Schritte der beiden Männer näherkommen, die ein paar Worte tauschten. Gleißendes Licht blendete mich, als sie den Kofferraum öffneten, und ein kalter Luftstrom drang herein. Mit einem Sprung war ich draußen und wollte loslaufen, mein Aufatmen dauerte nur kurz. Mein Herr hielt eine Sprühflasche in der Hand und massierte eine bittere Flüssigkeit in meinen Körper. Aus einer anderen Flasche mit Silikonlösung wurde ich nochmals besprayt und dann so lange herumgeführt, bis ich trocken war. Die beiden Männer rauchten eine Zigarette nach der anderen und sprachen kaum.
    »Wenn er siegt, sind wir reich. Wenn nicht, brauchen wir uns beim Boß erst gar nicht mehr sehen lassen.«
    »Hast du das Geld?« fragte mein Herr und zog mein Halsband eng.
    Der andere nickte, klopfte auf die ausgebeulte Stelle seines Jacketts und bückte sich zu mir herunter. Einer zog eine Spritze auf und injizierte eine Droge in meinen Hals, worauf mein Puls fast schlagartig beschleunigte, als sollte das Herz aus meiner Brust katapultiert werden.
    Mein Blut kocht, mir ist unendlich heiß, den Hunger spüre ich nicht mehr. Aber Wut, unendliche Wut. Und Haß.
    Seit zwei Tagen habe ich nur sehr wenig Nahrung bekommen und davor nur rohes, fettfreies Fleisch und jede Menge Vitamincocktails. Zwölf Wochen hartes Training habe ich nun hinter mir: Tredmill, Catmill, Flirtpole, Springpole, Hatz. Acht Stunden täglich und immer zur gleichen Uhrzeit beginnend. Sieben Tage die Woche. Es gab keine Pausen. Wasser hatten sie mir zuletzt nur noch in kleinen Rationen zugestanden, soviel, daß ich nicht an Kraft verlor, und so wenig, daß sie mir kein Entwässerungsmittel geben mußten. Es kam auf jedes Gramm an. Jeden Tag wurde ich mit dem Halsband an den Haken einer Federwaage gehängt. War mein Gewicht zu hoch, wurde ich weiter trainiert, bis es stimmte. Gramm für Gramm. Vor der Abfahrt zerrten sie mich aus einem Verschlag, der so eng war, daß ich mich nicht umdrehen konnte. Manchmal hagelten Stockschläge gegen die Wände, daß mir fast das Trommelfell platzte und meine Panik sich ins Unermeßliche steigerte, manchmal wurde der Deckel aufgerissen, und noch bevor ich reagieren konnte, blendete mich gleißendes Licht. Dann droschen mich Peitschenhiebe nieder. Kein Winkel, in den ich fliehen konnte. Jeden Tag wurde ich in eine Arena geführt, über der ein Scheinwerfer hing und in der jedesmal ein anderer Gegner wartete. Ich war schnell mit ihnen fertig. Dafür gab es wieder einen Brocken rohes Fleisch.
    Heute, am Convention-Day, wie sie es nennen, wurde ich nicht so hart wie üblich trainiert.

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