Die Ruhe Des Staerkeren
Birne und alkoholgerötetem Gesicht, stand gelangweilt hinterm Tresen und zapfte lustlos Bier. Laurenti bestellte ein Glas Weißwein und verzog beim ersten Schluck angewidert das Gesicht.
»Dreh das Zeug gefälligst den Touristen an«, maulte er und schob das Glas zurück. »Hast du keinen richtigen Wein?«
»Bisher hat sich noch niemand beschwert«, antwortete der Barkeeper gleichgültig und goß den Rest aus dem Glas in dieFlasche zurück. »Nimm den Roten, der ist besser. Oder ein Bier. In einer halben Stunde schließe ich sowieso.«
Mit einer Karaffe Rotwein steuerte Laurenti einen leeren Tisch in der hintersten Ecke des engen Lokals an, wischte die Bank sauber, bevor er sich setzte und versuchte, seinen Ärger hinunterzuspülen. Er überlegte, Laura mitzuteilen, daß er noch später käme als erwartet, doch das Gebrüll der besoffenen Amerikaner war zu laut. Wahrscheinlich dächte sie, daß er mit Freunden am Tresen stünde, während seine Mutter und seine Tochter längst angekommen waren und auf ihn warteten. Die Triestinerinnen, hatte er erst kürzlich gelesen, waren die am ärgsten gestreßten Frauen Italiens. Mein Gott! Was hatte der Piccolo aus dieser schwachsinnigen Umfrage gemacht – und wie oft hatte sich Marietta, seine Assistentin, darauf bezogen, wenn sie Überstunden machen mußte. Eine knappe SMS mußte genügen, dachte Proteo, um die weitere Verspätung anzukündigen. Der höfliche Sohn, der aufmerksame Ehemann, der liebevolle Vater.
*
Die Sicherheitskonferenz im Innenministerium war lange angekündigt und mehrfach verschoben worden. Der aus Triest stammende Staatssekretär hatte darauf bestanden, daß Laurenti im Viminale dabei war, einem ausladenden neoklassizistischen Palast, wie er auch in Triest hätte stehen können. Der Politiker schätzte den Commissario, was allerdings unerwidert blieb. Laurenti hielt wenig von Parteiprotegés, die ihre Posten gegenseitiger Abhängigkeiten verdankten, sonst aber wenig auf dem Kasten hatten. Er wollte gar nicht erst über die Monatsbezüge von über fünfzehntausend Euro schimpfen und all die anderen Vergünstigungen, die man besser nicht in geldwerten Vorteil umzurechnen versuchte, wenn man auch weiterhin ein loyaler Bürger bleiben wollte.Der Staatssekretär hatte sich unglücklicherweise an Laurenti erinnert und mit Inbrunst von dessen Tüchtigkeit und Weitsicht gesprochen. Ein solcher Mann müsse unbedingt Mitglied des Koordinationskomitees für die Sicherheitsmaßnahmen sein, wenn demnächst die europäische Prominenz einfliegen würde. Einen Gefallen hatte er Laurenti damit jedenfalls nicht getan. Der Präsident der europäischen Kommission, Manuel Barroso, der portugiesische Premier José Sócrates, der den Ratsvorsitz bei diesem Anlaß an seinen slowenischen Kollegen Janez Janša weitergab, Innenminister Giuliano Amato sowie die lokalen Größen der beiderseitigen Grenzgebiete – das bedeutete stundenlanges Geflapper der Hubschrauberrotoren oder auf Erden freie Fahrt für unzählige eskortierte und gepanzerte Limousinen – dazu noch siebenhundertfünfzig exklusiv geladene Gäste. Der Fall der Grenzkontrollen durch den Beitritt Sloweniens ins Schengen-Gebiet wurde offiziell in einem opulent ausgestatteten Festzelt im Niemandsland beim Übergang Rabuise/ Škofje gefeiert. Selbstredend unter Ausschluß des Fußvolks, doch in Gegenwart akkreditierter Journalisten, mit Sicherheitsschleusen an den Eingängen, einer Myriade uniformierter Beamter beider Länder, die das ganze weitläufige Umland zu überwachen und die Zufahrtsstraßen für die Politprominenz freizuhalten hatten sowie beim abschließenden Feuerwerk die nun endlich freie Durchfahrt blockieren sollten, bis die Eminenzen abgezogen waren. Und noch mehr Leute in Zivil, die statt des Funkgeräts in der Hand einen Stöpsel im Ohr trugen, von dem ein Kabel unauffällig in die Innentasche des Jacketts führte, vorbei am Lederholster ihrer Dienstwaffe. Schließlich die Männer von den Spezialeinheiten, Scharfschützen und Personenschutz, sowie die Affen von den Geheimdiensten beider Länder, die man schon an den teuren Anzügen erkannte und natürlich an der Unauffälligkeit ihrer Arroganz, mit der sie sich Ellbogenfreiheit verschafften. Werhier ein Attentat plante, mußte ein Geisteskranker oder ein Selbstmörder sein. Und da auch das niedrige Volk ausgeschlossen blieb, war nicht einmal mit Autogrammjägern zu rechnen.
Während der Konferenz im Innenministerium hatte Laurenti
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