Die Ruhe Des Staerkeren
mit seinen weißen Handschuhen eine Flasche Mora Riserva der Gebrüder Klinec aus Medana. Pina verstand kaum etwas von Wein, doch wenigstens entspannte sie sich von Glas zu Glas etwas mehr. Es war das erste Mal, seit sie in Triest war, daß sie Dinge aus ihrem Leben erzählte, die über die Arbeit hinausgingen.
»Und du?« fragte sie schließlich. Nach dem Braten waren sie zur vertraulichen Anrede übergegangen. »Der Arzt sagte, du hättest sechs ältere Schwestern. Wo sind die eigentlich? Und deine Mutter?«
Sedem schaute sie erstaunt an. »Das nennt man also ärztliche Schweigepflicht«, sagte er. Ein geheimnisvolles Lächeln huschte über sein Gesicht. »Sie sind in Amerika geblieben. Wollen nichts von Europa wissen. Duke hat seinen Begriff von Ehe etwas weiter ausgelegt, als es meiner Mutter recht war. Sie stammt aus Seattle, wo sie nach der Trennung wieder hingezogen ist. Ich war damals gerade zwei Jahre alt. Die Mädchen blieben bei ihr, ich bei Duke. Wir haben so gut wie keinen Kontakt. Ein Anruf zu Weihnachten und zum Geburtstag.Das ist alles. Ich kenne nicht einmal meine amerikanischen Großeltern.«
»Aber was treibst du eigentlich den ganzen langen Tag?«
»Es ist eigenartig«, sagte Sedem, »seit meinem Unfall kommt niemand mehr auf die Idee, daß auch ich arbeite. Alle denken, nur weil ich nicht laufen kann, schaue ich den ganzen Tag aus dem Fenster.«
Pina war verlegen. So hatte sie es nicht gemeint. Aber Sedem schien alles andere als beleidigt zu sein.
»Ich analysiere und spekuliere. Mein Vater hat mir ein Budget zur Verfügung gestellt, mit dem ich arbeite. ›Stoß ab, was Verlust macht, halte, was Gewinn bringt‹, lautet sein Lebensmotto, an das er sich bisher eisern und ohne jeden Skrupel gehalten hat. Und wenn jemand weiß, wie man richtig viel Geld verdienen kann, dann ist er es. Ihn interessiert Rendite mehr als alles andere in seinem Leben. Das ist nicht immer einfach zu ertragen, vor allem wenn ich mich für Dinge interessiere, die für ihn nur Zeitverschwendung sind. Ich habe eine etwas andere Definition von Gewinn und Verlust. Geld ist wichtig, aber kein Wert, nur ein Zahlungsmittel. Die vielen Bilder hier, und ich schwöre dir, sie sind Millionen wert, sind für ihn doch nur Beutestücke, aber keine Kunst.«
Pina ließ ihren Blick über die Wände schweifen und entdeckte immer wieder Werke, die sie nur von Reproduktionen her kannte und in öffentlichen Museen gewähnt hatte.
»Nun, nach einer heftigen Auseinandersetzung«, fuhr Sedem fort, »habe ich ihm dann diese Regelung vorgeschlagen, die mich endlich selbständig handeln ließ. Und ihm zeige ich manchmal den Kontoauszug, dem er entnehmen kann, daß sein Budget noch immer so dasteht wie zuvor. Mit ein paar Zinsen, die ich anständigerweise draufschlage. Aber das ist für ihn sowieso nur Kleingeld. Und wieviel ich inzwischen wirklich daraus gemacht habe, geht ihn nichts an.«
Pina staunte. Gerne hätte sie erfahren, wieviel es war, dochsie hatte nicht den Mut, danach zu fragen. »Und in was investierst du?« sagte sie zögerlich.
Nach dem Dessert hatten sie wieder am Feuer Platz genommen, und Sedem hatte sich vom Rollstuhl neben sie aufs Sofa gewuchtet. Mit der Fernbedienung wählte er andere Musik.
»Franz Ferdinand«, sagte er und hörte den ersten Takten zu. »›The Fallen‹. Indie-Rock. Indie kommt von Independence.« Doch als er das Gesicht Pinas sah, die Franz Ferdinand nur aus dem Geschichtsunterricht kannte und mit ihrem Musikgeschmack kaum über San Remo hinausgekommen war, wählte er rasch den nächsten Song. »Der ist schon sanfter. ›Walk Away‹. ›I love the sound of you walking away‹. – Was hattest du gefragt?«
»In was du investierst? Doch nicht in Musik.«
»Um Gottes willen, nein. Ich schließe Wetten auf die Entwicklung der Aktienmärkte oder der Konjunktur. Das muß man können. Für einzelne Firmenentwicklungen interessiere ich mich nur am Rande. Das ist viel zu aufwendig.«
»Und damit kann man Geld machen?« Für Pina waren Finanzmärkte ein Rätsel.
»Hast du in den Nachrichten von den Bankenkrisen gehört?«
Pina nickte.
»Ich sah sie voraus. Das hätte mit nüchternem Verstand auch jeder andere gekonnt. Die Welt verschuldet sich schließlich immer mehr. Und daraus kann man viel Profit schlagen. Wenn du Rat brauchst, frag mich einfach.«
»Und was machst du dann mit dem Geld?« Pina brauchte keinen Anlageberater. Nur mit Mühe gelang es ihr, am Monatsende etwas von ihrem
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