Die Ruhe Des Staerkeren
großen Bosse aus den Verbrechersyndikaten schon lange reingewaschen hatten und ihre Leute in die Chefetagen von Wirtschaft oder Parteien gezogen waren. Und die Söhne promovierten in Oxford, Harvard, München oder Paris, saßen in Aufsichtsräten oder in schmucken Anwaltskanzleien. Die Gelder, die aus Drogengeschäften, Menschenhandel und Waffendeals erwirtschaftet wurden, mußten schließlich gewaschen werden, damit sie anschließend in reguläre Firmen investiert werden konnten. Und dazu brauchte es Gewährspersonen in den höchsten Gremien. In Clearingbanken, Vorstandsetagen, Parteien und Regierungen.
»Nur eines verstehe ich nicht«, sagte Pina schließlich leise. »Weshalb mußt du über solche Dinge mit deinem Vater streiten? Versteht er das nicht?«
»Wir streiten schon lange nicht mehr. Er weiß nicht, was ich tue, und ich kümmere mich nicht darum, was er macht.« Sedem zog grinsend einen Tabakbeutel hervor und rollte mit geübtem Griff einen Joint. »Und über Musik können wir uns stundenlang unterhalten. Da trennt uns gar nichts.«
*
»Der Kommissar muß erst noch geboren werden, der gerne in die Scheiße greift«, platzte Alfieri heraus, als Laurenti sein Labor betrat. Der Leiter der Kriminaltechnik verzog angeekelt das Gesicht. »Hier, schau, was wir aus der Jauchegrube gezogen haben!« Vor ihm lag ein Packen in der Größe eines Ziegelsteins. Selbst ein Anfänger hätte auf den ersten Blick erraten, daß die weiße Masse, die durch die dicken Lagen aus transparenter Plastikfolie schimmerte, kein Waschpulver war. »Der Stoff war in einen schwarzen Nylonsack verpackt und in Einkaufstüten. Die Fingerabdrücke darauf stammen alle von Manfredi.«
»Stinkt dir dein Job eigentlich nicht?« fragte Laurenti. Er war am Morgen gleich bei den Forensikern vorbeigefahren, um sich aus erster Hand informieren zu lassen.
»Der Job nicht, aber ich habe die Nase tatsächlich voll, manchmal wird man den Geruch von Scheiße einfach nicht los.«
»Wieviel ist es?«
»Zwei Kilo in allerbester Qualität. Marktwert so um die zweihunderttausend.«
»Da staunt man aber, was der Eichhörnchenausstopfer für Geschäfte machte. Vor einigen Jahren die Singvögel, dann Kaviar und jetzt auch noch Koks.«
»Dafür wohnte er auch ziemlich feudal.«
»Kann man wohl sagen. Aber wer schmuggelt heute noch für Kleingeld? Gibt es irgendwelche Anzeichen, woher das Zeug stammt?«
Alfieri zeigte auf einen Stapel Plastiktüten. »Keine Ahnung. Zwei Tüten eines Supermarktes in Isola d’Istria sind dabei.«
»Die Herrschaften fühlen sich aber ziemlich sicher«, sagte Laurenti. »Haben sie auch Fingerabdrücke hinterlassen?«
Alfieri schüttelte den Kopf. »Da waren sie vorsichtiger. Aber verlang bloß nicht von uns, daß wir von den Fäkalien in der Grube DNA-Auswertungen vornehmen.«
In den letzten Monaten hatte sich der Verdacht bestätigt, daß die kleine Stadt Izola an der slowenischen Küste ein Umschlagplatz für Drogen aller Art war. So wie die Triestiner zum Zigarettenkaufen oder Tanken über die Grenze fuhren, so gab es auch immer wieder Abnehmer von kleineren Mengen Marihuana oder Kokain, die auf der Rückfahrt hochgenommen wurden. Die Behörden der beiden Länder zogen inzwischen am gleichen Strick, doch gab es Spekulationen, daß einige Mitglieder der slowenischen Polizei die Finger selbst im Spiel hatten. Den Kleinhandel einzuschränken, wäre auf jeden Fall der falsche Weg; man beobachtete aus dem Verborgenen heraus und hoffte, an die Hintermänner zu kommen. Das Fischernest hatte schon im Mittelalter unter venezianischer Herrschaft von sich reden gemacht, weil seine Bewohner eine Kanone aus dem Stamm eines Feigenbaumes auf ihre Nachbarn in Pirano gerichtet hatten. Bei der Zündung gab es viele Todesopfer im eigenen Lager, doch der Spruch überlebte: »Wenn es hier solch einen Schaden angerichtet hat, dann wird es da drüben noch viel verheerender sein.« Zu jener Zeit gab es mehr Esel als Einwohner in der Stadt.
Laurenti würde seine slowenischen Kollegen umgehend von diesem Fund unterrichten müssen. Vielleicht kam ja jetzt endlich Bewegung in die Angelegenheit.
»Und die Geldscheine? Wie weit seid ihr damit?« Laurenti wählte auf seinem Mobiltelefon die Nummer der Inspektorin. Sie sollte umgehend eine Kontenabfrage bei allen Bankinstituten veranlassen, auch wenn dies in den Tagen vor Weihnachten kaum Begeisterung auslösen würde. Aber sie mußten diesen Manfredi komplett durchleuchten. Er ließ es
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