Die Ruhe Des Staerkeren
seines Alfa Romeos. Dann tippte er den Schalter der Sirene an, die kurz aufheulte. Und endlich veränderte sich der Gesichtsausdruck des Carabiniere, wie in Zeitlupe reichte er dem Commissario die Papiere.
»Ich werde Meldung machen müssen«, sagte Saltamerenda, salutierte und trat einen Schritt zurück. Als Laurenti losfuhr, winkte ihm der zweite Carabiniere heimlich zu.
*
»Sie sind schon oben und observieren das Gebiet«, flötete Marietta, als er ins Büro kam.
»Wo ist Pina?« fragte Laurenti. »Sie nimmt nicht ab.«
»Sie ist krankgeschrieben, warum sollte sie?«
»Sie hätte sich doch trotzdem abgemeldet. Was gibt’s Neues?«
»Kleinscheiß. Der Madonnen-Statue in Gretta hat heute nacht jemand die Hand abgeschlagen und sie mitgehen lassen. Und ein paar Häuser weiter hat sich einer einen originellen Scherz erlaubt, der die Rechten auf die Palme bringt. An der Villa Prinz wurde provisorisch der Name geändert undein Bekennerschreiben zurückgelassen. Villa Primc heißt sie nun wieder, wie vor dem Faschismus. Große Aufregung, die wohl wieder in eine endlose Geschichtsdiskussion münden wird. Ferner hat gestern nachmittag der Räuber mit dem Spitznamen Engelsgesicht schon wieder einen Supermarkt in der Via Flavia ausgenommen. Der Mann scheint mächtig Hunger zu haben.«
»Hungrig auf Schauergeschichten«, sagte Laurenti und wählte noch einmal die Nummer von Pinas Mobiltelefon. Dieses Mal hatte er Glück. Doch die Inspektorin hörte sich merkwürdig an, hatte eine so rauhe Stimme wie der Wolf vorm Kreidefressen und brachte keinen Satz am Stück heraus. So kannte er sie gar nicht. Auf die Frage, ob sie krank sei und Hilfe benötige, antwortete sie in aller Kürze, daß er mit ihr in einer halben Stunde rechnen könne.
Laurenti zog die Tür seines Büros ins Schloß, um in Ruhe zu telefonieren, ohne daß Marietta ihn belauschte. Nach dem zehnten Klingeln nahm im kroatischen Pula Staatsanwältin Živa Ravno endlich ab. Laurenti hatte sich schon ausgemalt, daß seine ehemalige Geliebte das Gespräch nicht annehmen würde, wenn sie die Nummer erkannte.
»Guten Morgen, Proteo.« Ihre Stimme klang heiter. »Was kann ich für dich tun?«
»Ich wollte deine Stimme hören, Živa, du weißt, wie sehr sie mir fehlt. Aber ich freue mich, daß du guter Laune bist.«
»Ja«, lachte Živa, »ich habe soeben die Nachricht erhalten, daß ich endlich befördert werde. Ich werde nach Zagreb versetzt und eine Einheit zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leiten. Darauf habe ich schon lange hingearbeitet, und kurz vor Weihnachten wird es wahr. Gratulierst du mir nicht?«
»Nach Zagreb? Wann?«
»Gleich Anfang Januar. Du weißt, solche Dinge kommen immer kurzfristig.«
»Ganz schön weit weg.« Laurenti dachte mit Wehmut an die heimlichen Treffen mit der schönen Frau in kleinen Hotels an der istrischen Küste auf halbem Weg nach Pula, wo sie sicher waren, daß niemand sie zufällig ertappte.
»Zweieinhalb Stunden von Triest.« Živa wechselte ihren Tonfall. »Du bist zwar der erste, der es erfährt, aber deswegen hast du mich nicht angerufen. Also, was gibt’s?«
»In der Tat etwas Fachliches: Kennst du eine Gruppe namens ›Istria libera, Dalmazia nostra‹?«
»Istra nezauzet, Dalmacija je naša«, übersetzte Živa. »Ja, seit einiger Zeit tauchen hier anonyme Pamphlete auf, die dazu aufrufen, den Ausverkauf des Landes zu stoppen. Du hast vielleicht davon gehört, daß ein paar Investoren riesige Landstriche entlang der Küste aufkaufen, die wenig später in Bauland umgewandelt werden und danach ein Vielfaches wert sind. Es sind immer die gleichen Drahtzieher. Ihre Verbindungsleute aus der Politik werden wenig später Geschäftsführer oder Direktoren von Landentwicklungsprojekten und verdienen eine Zeitlang viel Geld. Bei uns sind einige Anzeigen diesbezüglich eingegangen, nur kommen wir nicht weiter mit den Ermittlungen. Entweder man trifft auf eine Mauer des Schweigens, oder es gibt eine Anweisung von oben, die Finger davon zu lassen, weil es politisch für zuviel Unruhe sorgen würde. Das größere Problem aber ist, daß niemand bereit ist, auszupacken. Einmal hatten wir einen leitenden Angestellten der Zweigstelle einer österreichischen Bank soweit, doch er ist leider bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Was es alles für Zufälle gibt«, sagte Laurenti. »Was hat diese Gruppe namens ›Istria libera‹ damit zu tun?«
»Wir ermitteln auch gegen sie. Ihre Pamphlete, die
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