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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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einfache Computerausdrucke sind, hängen sie an öffentlichen Plätzen auf. Sie sehen aus wie Fahndungsplakate, die du aus Wildwestfilmen kennst. Groß das Foto einer Person, dieziemlich gewagt der Korruption bezichtigt wird – immer in Verbindung mit diesen Grundstücksverkäufen, die stets ganz konkret benannt werden. Darunter steht dann ›Besser tot als lebendig – Wehrt euch, denn der Staat läßt euch allein‹. Das ist alles. Meines Erachtens eher eine hilflose und eifersüchtige Kinderei als eine ernsthafte Verschwörung. Wenn du willst, dann faxe ich dir nachher ein solches Pamphlet. Aber weshalb fragst du?«
    »Kennst du einen Marzio Manfredi?«
    Živa hatte den Namen noch nie gehört, und auch ihr Computer wußte nichts über diesen Mann. Laurenti würde ihr die Fotos des Toten schicken.
    »Eines ist klar«, sagte Živa. »Mit Neofaschisten hat das nichts zu tun. Meines Erachtens handelt es sich um eine winzig kleine Gruppe, die hofft, so mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.«

Oh, du Fröhliche
    Daß dies ausgerechnet ihr passiert war, verzieh sie sich nicht. Um halb fünf hatte Sedem den Fahrer aus dem Bett geholt, der sie mit dem Maserati nach Triest zurückbrachte. Während der halbstündigen Fahrt konnte sie sich noch beherrschen, doch kaum hatte sie die Wohnungstür aufgeschlossen, schaffte sie es um Haaresbreite gerade noch bis zur Toilette, um sich zu übergeben. Und jedesmal, wenn sie sich von der Kloschüssel aufzurichten versuchte, würgte es sie erneut. Bis sie endlich mit wundgekotztem Rachen ins Bett torkelte und sofort in einen unruhigen Schlaf verfiel, aus dem sie erst erwachte, als grelles Sonnenlicht auf ihr Kissen fiel.
    Warrants, Bonds, Credit Default Swaps, Stop-Loss-Limits, Hedgefonds, Knock-Out-Scheine, Underlying, Arbitrage, Spotmärkte – noch jetzt schwirrte ihr Kopf von den Fachausdrücken aus der Finanzwelt, mit denen Sedem um sich geworfen und versucht hatte, ihr zu erklären, daß alles ganz einfach sei. Er hatte sogar behauptet, daß vor dreihundert Jahren in Holland der Handel mit Optionen auf Tulpenzwiebeln eine gigantische Spekulationsblase erzeugte, als deren Wert den von Gold und Edelsteinen überstieg und astronomische Höhen erreichte. Die Verkaufswelle führte direkt in die Wirtschaftskrise. Sonst konnte sie sich kaum mehr an etwas erinnern, Sedem hatte geredet wie ein Wasserfall. Und wie war sie eigentlich nach Hause gekommen?
    Drei Tassen Kaffee und zwei Alka-Seltzer später saß sie mit flauem Magen am Küchentisch und traute sich nicht einmal, den Kopf über sich selbst zu schütteln. Noch nie in ihrem Leben hatte Pina Cardareto so viel getrunken, und noch nie war ihr so übel gewesen wie heute morgen. War es wirklich wahr? Zwei, die nicht gehen konnten, waren wie hungrige Wölfeüber einander hergefallen? Auf dem Sofa vor dem offenen Kamin? Hatte sie tatsächlich den ersten Schritt gewagt und war Sedem mit der Hand übers Haar gefahren, hatte seine gelähmten Beine gestreichelt, ihn schließlich geküßt? Und was war dann geschehen? Wieviel Alkohol hatte sie in sich hineingeschüttet, daß ihr Kopf brummte wie ein Schotterwerk? Und warum zum Teufel hatte sie, eine eiserne Nichtraucherin, den ersten Joint ihres Lebens nicht abgelehnt, den Sedem ihr kichernd gereicht hatte? Sie könne doch gar nicht kompetent ermitteln, spottete er, wenn sie nicht wüßte, wie das Zeug wirke.
    Nach einer heißen Dusche suchte Pina ihr Mobiltelefon und hängte es an das Ladegerät. Sie dachte an Sedem und hoffte, daß er diese Geschichte nicht ernst nahm. Auf keinen Fall wollte sie ihm klarmachen müssen, daß sie nicht im geringsten daran dachte, eine Affäre anzufangen. Sie waren quitt, sie hatte sich ausgiebig bei ihm für die Rettung bedankt. Dabei sollte es bleiben. Doch als sie schließlich ihr Telefon einschaltete, sah sie, daß er schon zweimal versucht hatte, sie an diesem Morgen zu erreichen. Und dann waren da auch noch die Anrufe Laurentis. Verdammt, drei Stunden war sie bereits überfällig. Als sie ihren Chef endlich zurückrief, brachte sie kaum einen klaren Satz hervor und hatte eine Stimme wie ein Reibeisen. Wieder stieg die Übelkeit auf, sie hetzte zur Toilette, und nachdem sie den Kaffee losgeworden war, zog sie sich an und machte sich auf den Weg ins Büro.
    »Auweia«, entfuhr es Marietta, als sie Pina sah. Sie blies ihr den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht. »Liegt ein Mißverständnis vor, oder hast du Grippe?«
    »Was für ein Mißverständnis?«
    »Ich

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