Die Ruhe Des Staerkeren
dachte immer, du hättest keine Ahnung davon, was guter Sex ist, doch heute siehst du so aus, als hätte dir ein strammer Matrose gezeigt, was Windstärke zwölf ist. Und du stinkst, als hättest du in einem Faß Rum gebadet.«
»Dem Blick einer erfahrenen Frau entgeht nichts«, sagte Pina knapp, doch sie fühlte sich nicht in Form, mit Marietta ein Scharmützel auszufechten. Unter normalen Umständen hätten jetzt Funken gestoben. »Wo ist der Chef?«
Marietta deutete auf die Tür zu seinem Büro. »Er macht sich schon Sorgen um dich.«
Bevor Pina nach der Klinke griff, klingelte ihr Telefon. Sie kramte es aus der Jackentasche und las die Nummer ab: Sedem. Sie verzog das Gesicht und steckte das Gerät wieder ein, ohne zu antworten.
An der Wandtafel in Laurentis Büro hingen die erkennungsdienstlichen Aufnahmen des Toten neben unzähligen Fotos von Hunden, wie Pina sie auch in Manfredis Werkstatt vorgefunden hatte, Innen- und Außenaufnahmen eines vergammelten Wohnwagens, Fotos von einem Drogenpaket, einem Stapel Geldscheine und von zerknitterten Plastiktüten, einem Pamphlet mit dem Titel »Istria libera« sowie in der untersten Reihe eine ganze Serie von einem Mann, die Pina trotz des schweren Hangovers jäh aufschreckte.
»Woher haben Sie die?« fragte sie, ohne Laurenti zu grüßen.
»Wenigstens sind Sie nicht krank, Pina«, sagte er und machte einen Schritt zurück. »Dafür haben Sie eine Fahne, die nicht einmal eine Bora von hundertachtzig wegfegen kann. Durchgemacht letzte Nacht?«
»Der da.« Pina deutete zappelig auf die Fotos, die Laurenti in Manfredis Wohnwagen gefunden hatte. »Woher haben Sie die?«
»Kennen Sie etwa diesen Mann?« Der Kommissar erzählte in knappen Worten vom Fundort und zeigte ihr auch den Zettel mit Datum und Uhrzeit.
»22.Dezember, 15.30 Uhr«, las Pina mit lauter Stimme. »Das ist Duke.«
»Und wer ist Duke?« fragte Laurenti.
»Ich habe Sie gestern nachmittag dringend zu erreichen versucht, doch Sie nahmen nicht ab.« Es klang wie ein Vorwurf.
»Und ich habe es heute morgen ohne Erfolg probiert. Also, was ist los? Wer ist Duke? Pina, wachen Sie auf!«
»So wach wie in diesem Augenblick war ich noch nie, Commissario.«
Die Tür zu Laurentis Büro öffnete sich leise. Marietta kam herein, setzte sich zu ihnen und hörte zu, ohne ein Wort zu sagen.
»Die Waffe, die ich gefunden habe, ist eine Glock 31 long range, extrem hohe Mündungsgeschwindigkeit und präzise selbst auf mittlere Entfernungen. Fünfzehn Schuß im Magazin. Mich irritiert, daß sie mit einem Infrarot-Lasermodul versehen ist, mit dem man unbemerkt den ganzen Zielbereich ausleuchten kann. Sie wiegt wenig und ist simpel zu handhaben.«
»Also auch für Nichtprofis gemacht.«
Sie trugen die Informationen zusammen, die bis gestern abend noch lächerlich wenig zu sein schienen. Marietta machte Notizen und faßte zusammen, was wer zu tun hatte. Dann nahm sie den Hörer von Laurentis Apparat und verband ihn mit dem Büro des Staatsanwalts.
*
Duke! Sie kannte nicht einmal seinen richtigen Namen. Was sie hatte, war nur das Kennzeichen des Maserati, mit dem sie gestern abgeholt und nach Jakovce chauffiert worden war. Die Anfrage bei den Kollegen in San Marino hatte ergeben, daß das Fahrzeug auf eine dort ansässige Finanzgesellschaft namens Ceres Libertas zugelassen war. So blieb ihr nichts anderes übrig, als zum Telefon zu greifen und beim Polizeipostenin der Nachbarstadt Sežana anzurufen. Die Beamten, die ihre Anzeige am Sonntag aufgenommen hatten, wüßten schon Bescheid. Mehrfach wurde sie weiterverbunden, bis sie endlich an der richtigen Adresse war.
»Goran Newman, der Nachname ist englisch«, sagte der Kollege im slowenischen Nachbarstädtchen und buchstabierte ihn umständlich, bis er sicher war, daß die Inspektorin ihn verstanden hatte. Beim Alphabet zeigten sich die nationalen Unterschiede in ganz Europa am deutlichsten. Wo die einen mit je nach Landessprache wechselnden Vornamen die Buchstaben verdeutlichten, wählten die anderen Städtenamen ihres Landes oder Monats- und Länderbezeichnungen. »Geboren am 1. Juli 1947 in Triest. Mutter Sonjamaria Škapin, Jahrgang 1912, Vater unbekannt. Der Sohn heißt Sebastian Newman, amerikanischer Staatsangehöriger. Die Telefonnummer lautet …«
»Entschuldigung, Herr Kollege«, sagte Pina so formvollendet wie möglich. »Ich hätte noch eine fachliche Frage, wenn Sie erlauben. Liegt gegen diesen Herrn Newman eigentlich irgend etwas vor?«
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