Die Ruhe Des Staerkeren
Sie las den Nachnamen von ihrem Zettel ab und sprach das W als stimmhaftes V aus. »Ich meine, steht er in Ihrer Kartei, oder kann ich ganz unbefangen mit ihm umgehen?«
»Signor Duke«, jetzt verwendete auch der slowenische Polizist den Rufnamen, »ist ein Geschäftsmann mit internationalen Beziehungen, und arm ist er auch nicht gerade. Es liegt nichts gegen ihn vor. Alles, was Sie über ihn wissen müssen, können Sie der Presse entnehmen. Also machen Sie sich keine Sorgen, dem Mann können Sie vertrauen. Wie geht es übrigens Ihrem Fuß?«
Pina erkundigte sich noch der Form halber, ob die Kollegen etwas über den Hund, dem sie ihre Verletzung verdankte, erfahren hatten, doch war er angeblich niemandem mehr unter die Augen gekommen. Kaum hatte sie aufgelegt, gab sieden Namen Dukes in eine Suchmaschine im Internet ein. Sie staunte. Entgegen ihrer Erwartungen waren es nur dreiundfünfzig Einträge, davon die meisten auf slowenisch und kroatisch. Doch dann fand sie einen italienischen Blog, in dem Duke als Hintermann einer riesigen Grundstücks- und Immobilienspekulation in Istrien und Dalmatien auftauchte, bei der es angeblich um die schwindelerregende Summe von damals über fünfhundert Milliarden Lire ging und ihm dabei die übelsten Machenschaften unterstellt wurden. Aber die Sache lag bereits lange zurück. Schließlich fand sie seinen Namen noch in einem Artikel einer österreichischen Tageszeitung, in dem über das Gerichtsverfahren in Wien gegen einen ehemaligen kroatischen Staatssekretär namens Boris Mervec berichtet wurde, in dem auch Goran Newman genannt wurde. Mehr verstand sie auch von dieser Sprache nicht. Pina druckte alle Einträge aus. Sie mußte jemand finden, der sprachkundiger war als sie selbst.
Ihr nächster Anruf galt der Protokollabteilung der Landesregierung. Sie wurde viermal weiterverbunden, bevor sie sich danach erkundigen konnte, ob Goran Newman auf der Einladungsliste stand und ob er seine Teilnahme an der offiziellen Zeremonie mit den Staatsgästen bestätigt hatte. Zuerst versuchte die Frau am anderen Ende der Leitung sie abzuwimmeln, doch als Pina damit drohte, daß in diesem Fall ihr Chef sich direkt an den Präsidenten wenden müßte, mit dem er befreundet war, ging es rasch. Die Zusage Dukes war am Montag per Fax bei der Protokollabteilung der Slowenen eingetroffen. Man hatte ihm einen Platz in der ersten Reihe der Wirtschaftsvertreter, gleich hinter der Politikprominenz, zugewiesen.
Und endlich raffte sie sich auf und wählte mit schweißnassen Händen die Nummer Sedems. Sie hatte Laurenti versprochen, einen Termin mit Duke zu vereinbaren, dafür übernahm Marietta die Bankabfrage in Sachen Marzio Manfredi.Sedem antwortete so rasch, daß sie davon ausging, er habe nur auf ihren Anruf gewartet. Seine Stimme klang heiter. Er fragte, ob sie ausgeschlafen habe, und stimmte sein Minnelied an, lachte über die Tätowierung an ihrem Oberarm und wollte wissen, wann sie sich wiedersehen würden. Während er fröhlich vor sich hinplapperte, verfluchte sie sich. Warum zum Teufel hatte sie sich auf diese Geschichte eingelassen? Sie mußte sich noch heute einen Schwangerschaftstest besorgen und die Pille danach. Was war bloß in sie gefahren, daß sie etwas mit einem Krüppel anfing? Überhaupt mit einem Mann. Seit sechs Jahren der erste. Seit ihrer Geschichte in San Giminiano, die damit endete, daß der Engländer, der dort seine Ferien verbrachte, diese um ihres gemeinsamen jungen Glückes willen, wie er sagte, zuerst um zwei Wochen verlängerte und dann von einem Tag auf den anderen unter einem halbseidenen Vorwand auf Nimmerwiedersehen abgefahren war. Als Pina ein paar Wochen später, als sie das Warten leid war, Nachforschungen über ihn einholte, erfuhr sie, daß es sich bei ihm nicht um den Erben einer berühmten Adelsfamilie, sondern um einen verheirateten Mann mit drei Kindern handelte, der als Buchhalter bei Rank Xerox in Uxbridge Middlesex Geld unterschlagen hatte und mittlerweile in England in Untersuchungshaft saß, nachdem er in Frankreich verhaftet und sogleich ausgeliefert worden war.
»Zwei, die nicht gehen können«, hörte sie Sedem schwärmen. »Ist das nicht wunderbar?«
»Ich muß dir etwas sagen«, unterbrach ihn Pina. Der Ernst in ihrer Stimme ließ ihn schlagartig verstummen. »Ich muß mit deinem Vater sprechen. Ist er da?«
Sedem lachte hell auf. »Was willst du denn von dem? Um meine Hand anhalten? Ist das nicht ein bißchen vorschnell? Du kennst mich doch
Weitere Kostenlose Bücher