Die Ruhe Des Staerkeren
kaum.«
»Es ist mir völlig ernst. Wo ist er? Wie kann ich ihn erreichen?«
»Was ist los, Pina? Er kommt am Nachmittag aus London zurück. Was willst du von ihm?«
»Wann genau? Ich muß so schnell wie möglich mit ihm reden. Persönlich und dienstlich.«
»Um sechzehn Uhr, so viel ich weiß. Soll ich dich abholen lassen?«
»Nein, mein Chef kommt mit. Es dauert nicht lange. Sag Duke bitte Bescheid. Alles weitere später.«
Sedem war verunsichert, das war ihr ganz recht. Immerhin hatte sie es geschafft, nicht auf seine romantischen Schwärmereien einzugehen. Andererseits tat es ihr leid, ihn in dieser Ungewißheit zu lassen. Der junge Mann hatte ihr Mißbehagen nicht verdient, das war alleine ihre Angelegenheit. Und es würde sie gewiß noch einiges an Überwindung kosten, ihm dies beizubringen.
Sie nahm die Ausdrucke aus dem Internet und humpelte zu Laurenti hinüber, der ganz offensichtlich selbst ein schwieriges Telefonat führte. Doch er gab ihr ein Handzeichen, sich zu setzen und zu warten.
»Gut, Biason, Sie wissen Bescheid. Ich werde es Ihnen auch noch schriftlich geben. Meinerseits habe ich getan, was ich muß. Jetzt hängt es an Ihnen. Es ist eine klare Attentatsdrohung, haben Sie das verstanden? Sie bekommen alles per elektronischer Post. Ja. Die Fotos, den Zettel mit dem Datum. Alles. Aber verdammt noch mal, verständigen Sie umgehend Ihre slowenischen Kollegen darüber. Dann haben die den Schwarzen Peter. Ja, natürlich, Biason, ich weiß, daß Sie wissen, was Sie zu tun haben. Aber die Sache stinkt zum Himmel und muß ernst genommen werden. Wir hören uns später.«
Mit einem wütenden Schnauben knallte Laurenti den Hörer auf den Apparat und schaute Pina an. »Diese Römer! Gemäß seiner jahrhundertelangen Erfahrung werden immer vor solch offiziellen Anlässen Drohungen ausgestoßen. Der großeChef ist der Meinung, das sei normal! Ein Routinefall! Man würde auf jeden Fall verhindern, daß etwas passierte. Aber ich habe den Eindruck, daß es ihn nicht im geringsten interessiert, was vorher oder nachher läuft. Das ist dann nicht mehr sein Bier, und der feine Herr kann sich ausruhen, während wir uns den Arsch aufreißen.«
Pina kannte diese Einstellung von anderen Fällen gut genug. Wieviele Menschen gab es doch, die darauf setzten, daß sich ein anderer fand, auf den sich die Arbeit abwälzen ließ? Auch sie und Laurenti hätten sich damit begnügen können, lediglich die Behörden jenseits der Grenze zu unterrichten. Doch wer garantierte dann, daß der Fall in die richtigen Hände geriet? Außerdem standen einschneidende Veränderungen bevor: Ab der Erweiterung der Schengenzone durften die Sicherheitsbehörden bei akuten Verfolgungen bis zu dreißig Kilometer auf das Territorium des Nachbarlandes vordringen. Besser, man baute bereits jetzt gute Kontakte zu den Kollegen auf.
»Haben Sie diesen Duke erreicht?« fragte Laurenti endlich.
»Er ist ab sechzehn Uhr zu Hause. Ich kenne den Weg. Dies sind die Ausdrucke aus dem Internet. Ich dachte eigentlich, daß es über einen so wichtigen Mann viel mehr Informationen geben müßte. Wir brauchen jemanden, der die deutschen und slowenischen Artikel übersetzt und die Firmen im Netz weiterverfolgt.«
»Die deutschen kann meine älteste Tochter übernehmen und die slowenischen ein Kollege im Haus. Fragen Sie Marietta.« Er schaute auf die Uhr.
»Die Kollegen haben das Auto Manfredis gefunden«, sagte Marietta, die Laurenti aus seinen Gedanken aufschreckte und die Notiz auf seinen Schreibtisch segeln ließ. »In der Via della Geppa gegenüber vom ›Hotel Colombia‹. Ein alter Fiat Panda mit Vierradantrieb. Er ist bereits auf dem Weg ins Depot.«
Pina Cardareto schnappte sich den Zettel, noch bevor Laurenti einen Blick darauf werfen konnte. »Ich kümmere mich drum.« Es war Zeit, daß sie in Bewegung kam, sie brauchte dringend etwas zu essen, um ihren leeren Magen wieder ins Lot zu bringen.
Marietta hob die Augenbrauen. »Ich glaube auch, daß dir ein bißchen frische Luft gut tut. Du siehst aus wie fettarmer Joghurt.« Und dann wandte sie sich an Laurenti. »Übrigens sind die ersten Bankauskünfte eingetroffen. Komisch, vor Weihnachten arbeiten die schneller als sonst. Aber bisher ist nur ein Konto aufgetaucht, und das ist restlos in den Roten. Mit seinem Gehalt alleine wäre Manfredi da nie wieder rausgekommen. Es wird seit einem Jahr gepfändet. Es würde mich wundern, wenn er noch über andere Bankverbindungen verfügte. Auf jeden Fall
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