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Die Rumplhanni

Die Rumplhanni

Titel: Die Rumplhanni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Christ
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führt di aufs Eis!

    Die Hanni steht zaghaft vor dem alten Gasthof, drunten im Tal. Schreien und Lachen dringt daraus, Gäste kommen und gehen, eine laute Musik übertönt zeitweise den Lärm. Ein altes Weib mit pergamentenen Zügen und langen Ohrgehängen kniet in der Toreinfahrt vor einem Ofen, fächelt mit einem rußigen Flederwisch in die schlafende Glut, daß sie zur bläulichen Flamme auflebt, und sagt dazu, so oft jemand vorbeigeht: »Heiße Maroni, Herr! Gute, heiße!« An diese Alte wendet sich die Hanni. »Muada, woaßt nix, ob i da drin über Nacht bleibn konn?« – »Da drin? O ja! Freilich wohl! Ganz gut!« Sie steht auf und schüttelt die Kastanien auf dem Röstblech durcheinander. Die Hanni schaut ihr unschlüssig noch eine Weile zu, dann tritt sie ein in die Gaststube.
    Herrgott! Gehts da zu! Ein Lärm! Ein Rauch und Qualm! Und ein Duft! An schmierigen Tischen sitzen allerhand verwegene Burschen, verlotterte Mannsbilder und freche, plärrende Weiber. Dazwischen gehen und stehen ärmliche Händler und Hausiererinnen herum, bieten ihre elendigen Waren an und unterhalten sich mit dem und jenem. Bald steht hier, bald dort ein Streit auf, erlischt wieder und wird aufs neue angefacht, dazu rattert, bläst, pfeift und scheppert in einem hohen Kasten die überlaute Musik, und über dem ganzen Trubel hängt der dicke, beißende Tabaksqualm, der dem Neuankommenden für den Augenblick jede Einsicht hindert, jedes Suchen nach Bekannten unmöglich macht. Die Luft ist erfüllt von diesem Rauch, vom Dunst der Speisen, vom Geruch abgestandenen Bieres, vom Lärm der Menschen und der Musik. Betäubt steht die Hanni am Eingang, wird bald von einem gestoßen, von dem andern geschoben und gerät auf Ja und Nein mitten in einen Knäuel streitender, schimpfender Burschen und Mädchen. Vergebens sucht sie daraus zu entkommen und den Ausgang zu gewinnen; der Streit wird zum Geräufe, Stühle, Krüge, Körbe fliegen, Schläge fallen dumpf auf die Köpfe etlicher Angegriffener, Weiber kreischen auf, und dann fährt gewichtig die Faust eines Hausknechts dazwischen, der die ganze Gesellschaft in wenig Augenblicken auseinandertreibt und an die Luft setzt. Die Hanni steht eingezwängt zwischen Tischen und umgeworfenen Stühlen, unfähig, sich zu rühren. Die Bänder ihres Hutes sind abgerissen, ihr Gewand ist voll verschütteten Bieres. Und in ihrem Gesicht steht der Schrecken des Augenblicks.
    Da sagt eine bekannte Stimme: »Hanni! – Rumplhanni!« Sie schaut um sich. Einer von Vogelried! Ein Landsmann!
    »Gell, du bist vom Ropfer z' Vogelried?« fragt sie ihn.
    »Freili bin i's! Und du bist d' Rumplhanni vo Öd, gell?« – »Ja.« Gott seis gedankt! Ein Bekannter! Ein Schulkamerad! Die Hanni besinnt sich noch gut auf den Ropferflorian von Vogelried. »Gell, du bist selbigsmal davon ... durchbrennt ... wia s' di wegn dera Gschicht ... bei der Kramerin ozoagt habn?« fragt die Hanni weiter. Und sie erinnert sich wieder des Tages, da man die alte Haschermutter in ihrem Laden schier ohne Besinnung aufgefunden hatte. Das abergläubische Weiblein zitterte vor Angst und berichtete, der Teufel wär eben leibhaftig bei ihr im Laden gewesen und hätt ihr gedroht: »Entweder du gibst mir zwanzg Mark, oder i pack di auf der Stell z'samm und nimm di mit in d' Höll!« Der Florian lacht. »Mei, i habs ihr ja net gschafft, daß sie's glaabn soll!« sagt er; »aber braucha hab i 's Geld scho könna. Sie hat mirs ja freiwillig gebn!« Und damit ist die Geschichte für ihn wieder tot. »Wo kimmst her und wo gehst aus? Wia kimmst da rei' in d' Stadt und in die Boazn?« Das ist seine weitere Frage. Die Hanni seufzt. »Mei, an Platz suach i in der Stadt herin. Und a Wirtshaus zum Übernachten.« Der Florian ist hocherfreut. »Du hast 's Dableibn im Sinn? An Platz möchst? Ah, da woaß i dir glei Rat! Ja, da schau her! Und übernachten kannst glei in der Näh. Glei in dem Haus, wo i wohn. Und jetz gehst mit mir um a Häusl weiter, nachher lad i di ei zum Essen. Und zu an Kaffee. Is 's dir recht?« Obs ihr recht ist! Freilich! So allein in der endsgroßen, fremden Stadt, in dieser Roßschwemm!
    Zwar ist er nicht viel Gescheites, der Ropferflori; es ist auch etwas in seinem Wesen, was ihr nicht recht gefällt, aber er ist halt doch ihr Landsmann, das einzige bekannte Gesicht unter viel hundert fremden. Und so geht sie gern mit ihm in eine andere Wirtschaft, ißt und trinkt, lacht und erzählt und erschrickt ganz, als die Zeit der Polizeistunde da

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