Die Runen der Erde - Covenant 07
wahnsinnig gemachten Horde dieser Wesen angegriffen worden. Dabei hatte Hollian den Tod gefunden. Indirekt waren die Urbösen also für Hollians Wiederbelebung – und die Aneles – verantwortlich gewesen. Trotzdem waren diese Wesen keine Ungeheuer. Auch wenn sie grausig wirkten, blieben sie doch sie selbst: nichts hatte ihre ursprüngliche Art entstellt.
»Ich dachte, sie seien tot«, keuchte Linden. Hatte Lord Foul sie nicht alle ausgerottet? Sie hatten ihn verraten, indem sie Hohl geschaffen hatten.
»Das haben wir auch geglaubt«, antwortete Stave. »Wir können uns keinen Reim auf sie machen. Wir wissen nur, dass sie von den Dämondim erschaffene Diener des Verderbers sind. Auserwählte, du musst sie niederstrecken, solange du noch kannst.«
Wie Anele – falls der Alte die Wahrheit sprach – gehörten die Urbösen nicht hierher, erschien ihr Auftreten Linden wie ein Anachronismus.
»Ich kann nicht!«, murmelte Linden bedrückt. »Ich weiß nicht, wie.« Auf der anderen Seite, so ging es ihr durch den Kopf: Wer außer den Urbösen hätte den schwarzen Donnerschlag erzeugt haben können, der die Kresch in Verwirrung gestürzt hatte?
Bevor Stave protestieren konnte, kam eine Frau rasch über die Felsplatte auf sie zu. Wie die menschlichen Kämpfer – die Ramen? – schien sie geradezu aus dem Fels herauszuwachsen. Auch sie war zierlich und schlank, geschmeidig und beweglich, mit dunklem Teint und langem schwarzem Haar, in Lederleggings und ein knapp sitzendes Lederwams gekleidet. Aber sie trug das Haar mit einem dünnen Seil – ihrer Garrotte – zusammengefasst, und um ihren Hals hing eine aus kleinen gelben Blüten geflochtene Kette.
»Die Macht der Ring-Than wird nicht gebraucht, Schlafloser.« In Lindens Ohren klang die Stimme der Frau wie ein Wiehern. »Die Urbösen tun euch kein Leid.«
Stave starrte sie einen Augenblick lang an, dann verbeugte er sich, als sei sie aus Sagen auferstanden, um ihn zu begrüßen. »Mähnenhüterin.« Er sprach steif wie ein Mann, der sein Erstaunen mit bewusster Anstrengung unterdrückt. »Das kann nicht sein. Urböse bleiben böse, und die Ramen dienen nicht dem Verderber.«
Die Frau erwiderte seine Verbeugung nicht. »Dennoch«, sagte sie nur, »geschieht keinem von euch ein Leid.«
»Stave!«, rief da Liand verzweifelt. »Sie kommen!«
Unterhalb des Steinhauseners kämpften die Ramen geschmeidig und verbissen, und sie schienen unglaublich erfolgreich zu sein. Einige von ihnen mussten inzwischen zerbissen und zerfetzt gefallen sein, aber zehn oder mehr von ihnen hielten das Rudel weiterhin auf: Sie tauchten aus Knäueln von Wölfen auf, wichen im Sprung Krallen und Zähnen aus und gebrauchten ihre Seilschlingen, um Läufe auszurenken, Genicke zu brechen, Luftröhren zu zerquetschen. Aber sie konnten die Kresch nur behindern, nicht wirklich aufhalten. Schon hatten sich einzelne Wölfe aus dem Tumult gelöst, um bergauf zu hetzen. Auf Liand und Somo zu.
Das erste Tier wollte Liand gegen die Brust springen, doch er trat im letzten Augenblick beiseite. Als der Kresch ihn im Sprung verfehlte, zerfetzten Liands Messer, die er beide zugleich nach oben stieß, ihm den Bauch, und der Wolf krachte verendend auf die Felsplatte. Doch noch ehe der Steinhausener auf einen neuen Angriff gefasst war, sprang ihn bereits das nächste Ungeheuer an. Zwei weitere hatten es auf die Kehle des Mustangs abgesehen.
Liand ging durch die Wucht des Aufpralls zu Boden. Dann wälzten Mensch und Tier sich als um sich schlagendes Knäuel über die Felsplatte.
Die von Stave ›Mähnenhüterin‹ genannte Frau war mit wenigen Sätzen bei ihnen, schnellte dabei ihr Seil aus dem Haar und warf es Liands Angreifer um den Hals. Ihr Schwung trug sie über den Kresch hinweg und riss die Bestie zur Seite; gleichzeitig kam ein weiterer Ramen Somo zu Hilfe. Der Mann sprang einem Wolf auf den Rücken, krümmte sich zusammen und landete mit einem Satz auf dem Rückgrat eines anderen. Knochen brachen mit grässlichem Knacken. Während der Kresch hilflos knurrend zusammenbrach, wälzte der Ramen sich unverletzt zur Seite.
Somo warf sich herum, keilte aus und zertrümmerte mit seinen Hufen den Schädel des anderen Wolfs.
Unterdessen strömten die Urbösen weiter in Keilformation bergab und kläfften dabei rhythmisch wie bei einer Beschwörung. Aufflammende Kraft spritzte von ihren glühenden Klingen. In wenigen Augenblicken würden sie die Platte aus gewachsenem Fels erreichen, die Anele mit ihren
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