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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Fingern ihres Willens, der Hand ihres Wollens aus, tastete nach der Türklinke und entließ weißes Feuer in den neuen Tag. Es konnte eine turmhohe Feuerwand oder eine kleine Flammenzunge gewesen sein; sie wusste es nicht, und es war ihr auch egal. Nur ein Augenblick wilder Magie – kaum länger als ein Herzschlag. Dann öffnete sie die Hände und ließ Covenants Ring herabfallen, sodass er an seiner Kette vor ihrer Brust baumelte. Weiterhin mit geschlossenen Augen sank sie nach vorn, bis ihre Stirn das Gras berührte. Halfen die Urbösen ihr diesmal, würden sie es vielleicht erneut tun.
    Vielleicht würden sie ihr helfen, Jeremiah zu retten.
    Sie hörte nichts außer der sanften Neugierde der Brise; spürte nichts außer dem massiven Schweigen der Berge. Aber als sie den Kopf hob und wieder die Augen öffnete, sah sie vor sich im Gras einen Urbösen mit einem Eisenbecher in Händen stehen.
    In der Morgenröte des anbrechenden Tages lag der Duft von Vitrim – moderig und dick wie Schlamm.

11

Hinweise
     
     
    Während Linden und Liand ein kurzes Mahl einnahmen, brachen die Ramen ihr Lager ab. Dann marschierten sie entlang des Steilabbruchs in allgemein östlicher Richtung weiter – auf eine enge Schlucht zwischen zweien der um sie herum aufragenden Berge zu. Somo war, von der jungen Seilträgerin geführt, nachts eingetroffen. Der Mustang wirkte frisch und gesund, schien den schwierigen Aufstieg unbeschadet überstanden zu haben. Das trug sichtlich dazu bei, Liand die letzten Zweifel in Bezug auf die Ramen zu nehmen. Jetzt genoss er ihre Gesellschaft – und Lindens – mit der unbefangenen Lernbegierde eines jungen Mannes.
    Sahah ließen sie in der Obhut einiger ihrer Gefährten zurück. Unter der kräftigenden Wirkung von Vitrim hatte die Verletzte sich etwas erholt. Sie war jedoch nicht transportfähig; ihr Leben hing weiter bedenklich unsicher an den Fäden ihrer angeborenen Zähigkeit. Trotzdem waren die Infektion in ihrer Bauchhöhle und das Fieber in ihren Augen zurückgegangen. Sie trank bereitwillig kleine Schlucke Wasser, aber auch Vitrim. Ab und zu war sie bei so klarem Verstand, dass sie sprechen konnte. Linden glaubte – und Mähnenhüterin Hami stimmte ihr darin zu –, Sahah werde überleben, bis die nach Heilerde ausgesandten Seilträger zurückkehrten.
    Als die Schar aufbrach, holte eine Seilträgerin Anele von einem Felsvorsprung oberhalb des Lagers. Linden hatte die Abwesenheit des Alten erst bemerkt, als ihre Sorge um Sahah etwas leichter geworden war. Obwohl sie Anele auf eine Weise brauchte, die sie kaum benennen konnte, war sie nur wenig um ihn besorgt gewesen: Die Mähnenhüterin hatte ihr versprochen, dass die Ramen ihn nicht aus den Augen verlieren würden. Als Linden nach ihm fragte, erklärte Hami ihr, er sei sehr zeitig aufgestanden und habe aus unbekannten Gründen das Lager verlassen – vielleicht um die Gegenwart des Meisters zu meiden oder allein mit seinen Dämonen Zwiesprache zu halten. Jedenfalls gesellte er sich ohne erkennbares Sträuben wieder zu Linden und den Ramen. Während er sie in Richtung Schlucht begleitete, murmelte er Unverständliches vor sich hin, als sei er in einer Diskussion begriffen, die außer ihm niemand hören oder verstehen konnte. Wahnsinn hatte wieder von ihm Besitz ergriffen, und seine Blindheit verlieh ihm den abwesenden Ausdruck eines Mannes, der zwischen Gespenstern wandelt und nur Tod sehen konnte.
    Mit ihren erneuerten Sinnen hätte Linden versuchen können, seine Verwirrung zu durchdringen. Aber sie fürchtete den Preis, den sie möglicherweise beide für solches Eindringen würden zahlen müssen. Jede Besitzergreifung war eine Art psychischer Vergewaltigung, die Anele den letzten Rest seiner Vernunft kosten konnte. Und ihr selbst würde Gefahr von seinem Wahnsinn drohen. Als sie damals von Covenant Besitz ergriffen hatte, um ihn von der künstlichen Starre zu erlösen, in die er von den Elohim versetzt worden war, hatte seine Leere sie überwältigt, und sie war einige Zeit so verloren wie Jeremiah gewesen. Ceer hatte sich geopfert, um sie zu beschützen, weil sie so völlig außerhalb des eigenen Ichs gestanden hatte. Zumindest gegenwärtig war sie nicht bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Ihre eigene emotionale Verfassung war zu wenig belastbar.
    Der Erfolg mit Covenants Ring hatte ihr ein grimmiges, fiebriges Hochgefühl verschafft. Sie hatte die Tür zur Macht in ihrem Inneren gefunden – und würde sie auch in Zukunft finden.

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