Die Runen der Erde - Covenant 07
den Felssturz umgangen hatten, sah Linden, dass sie zu einem sattelförmigen Grat zwischen hoch aufragenden Felswänden unterwegs waren. Er war durch gewaltige Felsstürze entstanden, deren Echo die gegenüberliegenden Wände zurückgeworfen haben mussten, während sie in der zwischen ihnen liegenden Senke zusammengeprallt waren und sie ganz mit Geröll und Felsblöcken angefüllt hatten. Linden stöhnte innerlich. Schon wieder ein Geröllfeld ... Sie konnte ihre Besorgnis nicht verbergen, als sie Mähnenhüterin Hami fragte: »Müssen wir dorthin?«
Die Angesprochene nickte. »Die Grenze des Wanderns liegt dahinter. Dort wollen wir versuchen, die Zweifel des Bluthüters zu widerlegen – und unsere eigenen.«
Linden improvisierte, indem sie fragte: »Schafft Somo den Aufstieg?« Sie wusste nicht, ob sie ihn schaffen würde. »Er sieht schwierig aus.«
Hami unterdrückte ein Lächeln. »Wir kennen einen Weg zwischen den Felsblöcken. Den kann der Mustang leicht bewältigen.« Sie musterte Linden, dann fügte sie ernst hinzu: »Du bist merklich erschöpft, Ring-Than. Dein Reittier kann dich tragen, wenn du es wünschst.«
Lindens Haltung versteifte sich. »Nein, danke«, murmelte sie. Ihre gestrige Schwäche hatte ihr Selbstbewusstsein gekränkt. »Kommt Somo damit zurecht, schaffe ich es vermutlich auch.«
Die Führerin der Ramen nickte. »Daran zweifle ich nicht.«
»Aber erzähl mir etwas«, fuhr Linden fort, »bevor ich zu angestrengt keuche, um noch reden zu können.« Sie hatte Hamis offenbar unaufrichtige Behauptung, ihr Volk verstehe die Urbösen nicht und könne sich auch nicht mit ihnen verständigen, keineswegs vergessen.
»Wenn es dir den Aufstieg erleichtert«, erwiderte die Mähnenhüterin, »will ich antworten, so gut ich kann.« Obwohl ihr Tonfall aufrichtig klang, hörte Linden ein gewisses Zögern heraus. Die Ramen hatten ihre eigenen Geheimnisse, die sie nicht preiszugeben gedachten. Von dem Gefühl bedrückt, hier blieben Absichten unausgesprochen, fragte Linden: »Woher habt ihr von den Kresch gewusst?«
Hami runzelte scheinbar verwirrt die Stirn. »Ring-Than?«
»Alles kommt mir ein bisschen zu akkurat vor«, erklärte Linden ihr verlegen. »Ich verstehe nicht, wie ihr gewusst haben könnt, dass ich in Gefahr war. Aber trotzdem seid ihr aufgetaucht, um mich zu retten, als ich euch am dringendsten brauchte. Wie habt ihr das geschafft?«
»Ah.« Die Mähnenhüterin nickte. »Jetzt verstehe ich! Wir waren tatsächlich im rechten Augenblick da, aber das braucht dich nicht zu überraschen. Bei uns ist es Brauch, zuzeiten die Grenzen des Landes zu erkunden, um einen Blick darauf zu erhaschen, was dort vorgeht. Gestern hatte ich beschlossen, mit meinen Seilträgern das Mithil-Tal zu überwachen, denn nur von dort aus – und von den Ebenen von Ra – sind diese Berge zugänglich. Überall sonst verwehren steile Felswände den Zugang.
Von den Höhen oberhalb des Tals hätten wir gesehen, dass die Kresch sich zur Jagd sammelten. Wir wussten nicht, was sie jagen würden. Wir wollten sie nur angreifen, wenn sie sich in die Berge hineinwagten. Dass sie es auf dich abgesehen hatten, haben wir erst entdeckt, als wir unseren Hinterhalt schon vorbereitet hatten.«
Diese Erklärung klang plausibel. Linden hätte sie nicht angezweifelt, hätte sie nicht den Eindruck gehabt, die Mähnenhüterin antworte ausweichend. Linden machte halt, um ihren Standpunkt besser behaupten zu können, und wartete, bis Hami ebenfalls stehen geblieben war. »Trotzdem seid ihr gestern ›zufällig‹ genau zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Und die Urbösen ebenfalls. Versteh mich bitte nicht falsch«, fügte sie rasch hinzu. »Ich bin euch dankbar. Ich vertraue euch bereits. Aber ich bin ...« Sie zuckte unbehaglich mit den Schultern. »... Zufällen gegenüber misstrauisch.«
Das hatte Lord Foul sie gelehrt.
Sie konnte glauben, dass die Urbösen von ihrer Anwesenheit im Land und ihrer Hilfsbedürftigkeit gewusst hatten. Vor Jahrtausenden hatten sie erkannt, dass Covenant zurückkehren würde. Aber nichts ließ darauf schließen, dass die Ramen ähnliches Wissen besaßen. Während Linden auf Antwort wartete, versammelten sich Seilträger um sie, aber sie beachtete es nicht, sondern konzentrierte sich weiter ganz auf Hami. »Du sagst immer wieder«, fuhr sie fort, als die Mähnenhüterin nicht antwortete, »dass du die Sprache der Urbösen nicht beherrschst. Aber das ist nicht die ganze Geschichte, nicht wahr? Ihr
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