Die Runen der Erde - Covenant 07
verletzte Seilträgerin und ihre Gefährten erreichten das Lager von den Ramen begleitet, die ausgesandt worden waren, um Heilerde für Stave zu holen. Beide Gruppen waren einander auf dem Rückweg zur Grenze des Wanderns begegnet. Gemeinsam brachten sie mehr als genug Heilerde mit, um Stave gänzlich genesen zu lassen.
Linden hatte gehört, Heilerde büße ihre Wirksamkeit ein, wenn sie ausgegraben werde; sobald sie aus der spezifischen Feuchtigkeit des Nährbodens, in dem sie entstanden war, entfernt werde. Aber als sie in den Steintopf blickte, den die Seilträger ihr darboten, sah sie in der feuchten, sandigen Erde goldene Partikel leuchten; zugleich appellierte Erdkraft wie ein Fanfarenstoß an ihre Sinne. Sie trug den Topf dankbar zu Staves Krankenlager und bestrich das angeschwollene Fleisch seiner Wunden mit Heilkraft. Die unheimliche Schnelligkeit, mit der Heilerde zu wirken begann, verblüffte sie noch immer, und sie verfolgte staunend, wie Staves Wundschmerzen sich aus stummer Agonie in erträgliche Schmerzen und dann in ein dumpfes, tiefes Pochen verwandelten. Dass er ein Haruchai war, beschleunigte seine Heilung zweifellos. Trotzdem erschien ihr Heilerde selbst als wahrhaftes Wunder – ein Geschenk, das kostbarer war, als man beschreiben oder sich verdienen konnte.
Keine Welt, in der solche Heilung möglich war, hatte die Heimtücke des Verächters verdient.
Während Stave ruhte, tupfte sie etwas Heilerde auf ihre Wangen, um die Schmerzen in ihrem verbrannten Gesicht zu lindem. Die Wirkung reichte jedoch tiefer, entspannte ihre wunden Muskeln und verlieh ihrer von der Sonne verbrannten Haut einen schützenden Bronzeton; gewährte ihr die Gabe der Vitalität des Landes.
Danach hätte sie durch schlichte Erleichterung ihrer Sorgen ledig eine Zeit lang die Augen schließen können. Sie hatte nachts nur in Intervallen geschlafen, war immer wieder aufgestanden, um nach Stave zu sehen, und noch immer todmüde. Aber sie war jetzt bei klarem Bewusstsein, besonnen und entschlossen. Und die Heilung von Staves gefährlichen Wunden ließ eine schmerzhafte Verletzung hervortreten, gegen die Heilerde nichts ausrichten konnte: seine ausgerenkte Hüfte.
Linden hatte bisher nicht versucht, sie wieder einzurenken. Allein war sie nicht kräftig genug für diese Aufgabe, und das Einrenken war ihr nicht so wichtig erschienen. Als Stave ihren Namen sprach, seufzte sie innerlich; laut antwortete sie jedoch: »Ja?«
Sie würde von dem einmal beschrittenen Weg nicht mehr abweichen.
»Linden Avery«, wiederholte er, »du hast über mich bestimmt.« Obwohl er inzwischen merklich stärker war, klang seine Stimme noch immer leicht angestrengt. »Nun liegt die Sache nicht mehr in meinen Händen. Wir müssen die Folgen abwarten.«
Sie wünschte sich, sie wüsste nicht, wovon er sprach.
Sie hatte seinen Tod abgewendet; ihm die natürlichen Folgen seiner Niederlage gegen Esmer erspart. Nach der extremen Logik der Haruchai hatte sie damit seine persönliche Rechtschaffenheit verletzt. Welche spezifische Form die ›Folgen‹ annehmen würden, konnte sie nicht einmal vermuten; aber sie wusste, dass ein hartes Urteil, vielleicht eine Verstoßung dazugehören würde.
Nachdem Brinn und Cail aus den Fängen der Tänzerinnen der See gerettet worden waren, hatten sie Covenants Dienst aus demselben Grund quittiert, aus dem die Bluthüter sich von den Alt-Lords abgewandt hatten: Sie hatten sich unwürdig gefühlt. Ihre Nachkommen würden mit Stave nicht weniger strikt verfahren. Auch die Tatsache, dass Stave Lindens Intervention nicht hätte verhindern können, würde nicht als Milderungsgrund gelten.
Sie reagierte mit einem Schulterzucken. »Tun wir das nicht immer?« Die Folgen des eigenen Handelns – im Guten wie im Bösen – hatte sie seit jeher selbst tragen müssen. »Vielleicht können wir diesmal ...«
Dieses Mal wollte sie das Ergebnis selbst bestimmen.
»Inzwischen«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu, »sollte ich deine Hüfte wieder einrenken. Je länger sie ausgerenkt bleibt, desto größere Schwierigkeiten macht sie dir später.«
Stave schüttelte den Kopf. »Tu es nicht.« Das klang bestimmt; unbeugsam wie immer. »Ich kümmere mich darum, sobald ich wieder etwas bei Kräften bin.«
Sein Tonfall besagte eindeutig: Füge mir nicht noch mehr Schmach zu.
Linden unterdrückte einen Fluch. »Also gut.« Sie bezweifelte nicht, dass er sich darum ›kümmern‹ würde, ohne darauf zu achten, wie starke Schmerzen er
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