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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Luft zu machen, dass er vor ihr auf und ab marschierte. Sein Kopf zuckte, als streite er mit sich selbst, debattiere über Ehrlichkeit und Gewaltanwendung. Sein Gesicht war jetzt schweißnass.
    Er sah sie noch immer nicht an.
    »Wenn seine Verrücktheit es zulässt«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wenn er sich daran erinnern kann. Oder wenn er wieder zur Vernunft kommt.«
    Schon bisher hatte Anele sich oft genug an Dinge aus der Vergangenheit erinnert.
    Esmer würde sie in wenigen Augenblicken verlassen; das spürte sie deutlich. Die Zwiespältigkeit seiner Natur war zu viel für ihn. Er würde niemals Frieden finden, bevor er den Hass seiner Mütter aufgebraucht oder die Leidenschaft seines Vaters verbrannt hatte.
    Es gab so viel, was sie erfahren wollte; aber sie konnte auch ohne dieses Wissen leben. Zumindest vorläufig. ... Eine Frage musste er ihr jedoch unbedingt noch beantworten. Sonst war sie hilflos.
    »Esmer«, drängte sie sanft, »halt durch. Ich habe nur noch eine Frage. Wie stelle ich es an?«
    »Wildträgerin?«
    »Wie gehe ich dorthin zurück? In die Vergangenheit? Wie finde ich den Stab?«
    Sie konnte tun, was Anele getan hatte: eine der Zäsuren betreten. Aber Esmer hatte gesagt, in ihnen existierten alle Augenblicke gleichzeitig. Wie sollte sie einen Weg durch so viel Zeit finden? Wie konnte sie zwischen allen Möglichkeiten, die dreieinhalb Jahrtausende boten, navigieren?
    »Für dich ist nichts unmöglich.« Er breitete die Arme mit einer Geste aus, die zu schroff für ein Schulterzucken war. »Du bist die Wildträgerin.« Dann aber schüttelte er den Kopf: »Aber begreifst du, dass wir vom Gesetz sprechen? Von Abfolge und Kausalität, die nicht zerstört werden dürfen? Jede Änderung der Vergangenheit bedroht den Bogen der Zeit selbst. Ist er einmal beschädigt, kann er nie wieder ganz werden.«
    »Gut, dann muss ich eben vorsichtig sein.« Sie würde sich nicht von ihm umstimmen lassen. »Ist der Stab verschollen, ist er auch nicht benutzt worden. Er hat sich auf nichts ausgewirkt.« Und sein bloßes Vorhandensein würde den Zusammenhalt der Zeit gestärkt haben. »Können Anele und ich den Stab wiederfinden ... und ihn in die Gegenwart mitbringen, ohne ihn zu benutzen, bleibt die Vergangenheit unverändert. Nichts, was bereits geschehen ist, wird sich nachträglich ändern.«
    Während sie sprach, hörte Esmer auf, vor ihr auf und ab zu laufen. Anscheinend hatte sie ihn verblüfft. Seine wachsenden inneren Konflikte schienen für einen Augenblick neutralisiert zu sein, und in dieser Pause hatte Linden wieder den Eindruck, ihn irgendwie befriedigt, irgendein tiefes Bedürfnis erfüllt zu haben.
    Er wandte sich ihr langsam zu. Im Widerschein der Kochfeuerglut leuchteten die smaragdgrünen Augen zornig und flehend zugleich.
    »Hast du eine so hohe Meinung von dir selbst?« Sein Tonfall verspottete Linden; beschwor sie auch. »Hältst du dich für weise genug, um die Zerstörung des Bogens der Zeit riskieren zu dürfen? Die Tänzerinnen der See wünschen sich das Ende aller Dinge herbei. Ihre Trauer ist unstillbar.«
    Dann war der Augenblick vorüber. Ein wildes Grinsen verzerrte seine Lippen; List und Schmerz glitzerten in seinem Blick.
    »Ich sage nur eines: Halte dich an die Ranyhyn.«
    Und dann ging Esmer davon, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Mit fünf langen Schritten war er aus der Wohnstätte heraus. Zwischen Schatten und Verderben schlüpfte er hindurch und hastete in die Nacht hinaus.
    Linden blieb mit Staves Bewusstlosigkeit und ihren eigenen Sehnsüchten allein zurück.

2

Gefährliche Alternativen
     
     
    Früh am nächsten Morgen brachte eine Gruppe von Seilträgern Sahah zur Grenze des Wanderns zurück.
    Die Verletzte war blass und schwach, kaum imstande, sich auf den Beinen zu halten; nur fähig, einige wenige Schritte zu gehen. Auf dem größten Teil der Strecke hatten ihre Gefährten sie auf einem improvisierten Schleppgestell transportiert. Trotzdem war offensichtlich, dass Sahah ihre Krise überwunden hatte. Dass sie die holperige Reise auf einer zwischen Holzstangen ausgespannten Wolldecke überlebt hatte und bei der Ankunft imstande gewesen war, ihre Freunde und Verwandten schwach anzulächeln, war ein überzeugender Beweis für die Wirksamkeit von Heilerde. Ihre zerrissenen Eingeweide und verletzten Organe heilten gut, ohne Infektion und mit nur schwachem Fieber, während ihre äußerlichen Wunden übernatürlich gut abheilten. Die

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