Die Runen der Erde - Covenant 07
umdrehte, um ihn zu fragen, was er sehe, nahm sie aus dem Augenwinkel heraus ein schwaches Schimmern über dem trockenen Bachbett wahr – eine seltsame kleine Verzerrung wie eine schwache Luftspiegelung. Sie betrachtete Sand und Büsche wieder direkt, konnte dabei aber nichts wahrnehmen. Nur wenn sie das Bachbett aus dem Augenwinkel heraus beobachtete, schien die Luft über ihm leicht zu schimmern.
Unsicher, aber lernwillig, wie sie es seit der ersten Begegnung mit Thomas Covenant stets gewesen war, verbesserte Linden allmählich ihre Wahrnehmung, bis sie wie Stave und Mahrtiir das Wesen dieser Erscheinung fühlen konnte.
Die beiden hatten recht: hier lag eine Kraft in der Luft. Hätte Hyn sie ins Bachbett hinuntergetragen, wäre sie Energien ausgesetzt gewesen, die sie hätten lähmen können. Dennoch wäre das nicht die Absicht dieser Kraft, sondern nur eine Nebenwirkung gewesen. Sie war zu anderen Zwecken hier installiert worden.
Um etwas zu verbergen, wie Stave vorgeschlagen hatte? Oder um ihre Erzeuger zu warnen?
Oder beides?
Jedenfalls schien ihre flüchtige Existenz anzudeuten ...
»Linden ...?«, begann Liand; aber er war zu verwirrt, um seine Frage wirklich zu stellen.
... dass die Anstrengungen der Urbösen nicht vergeblich gewesen waren. Irgendwo hier in der Nähe lauerte ein machtvolles Wesen, vielleicht auch mehrere.
Und es wollte nicht entdeckt werden. Oder überrascht werden.
»Also gut«, murmelte sie halblaut. »Also gut.«
Sie durfte noch hoffen.
Dann fragte sie lauter: »Was machen wir jetzt?«
Neben ihr zuckte Stave mit den Schultern. »Von solchen Dingen verstehe ich nicht viel. Die Haruchai brauchen sie nicht. Willst du dich nicht abweisen lassen, müssen wir weiter auf die Führung der Urbösen vertrauen.«
Es sei denn, Linden beschwor weißes Feuer herauf und fegte den schimmernden Schleier einfach beiseite. Doch sie vertraute nicht länger darauf. Ihre Unfähigkeit, innerhalb der Zäsur die eigene Kraft einzusetzen, hätte sie – und mit ihr alle anderen – beinahe ins Verderben gerissen.
Um zu den Urbösen zurückzukehren und nachzusehen, ob sie sich so weit erholt hatten, dass sie wieder einsatzfähig waren, berührte sie Hyns Hals. Das Ranyhyn wendete bereitwillig und trabte zu den Geschöpfen zurück.
Die schwarze Flüssigkeit war im Sonnenschein größtenteils verdunstet, und eine weitere Gruppe von Urbösen war eingetroffen und lagerte jetzt entkräftet neben ihren Gefährten. Weitere Urböse, deren schwarze Haut von Staub und Erschöpfung fleckig war, kamen über den Hügelkamm gehinkt. Auch sie sanken neben ihren Artgenossen zu Boden, konnten nicht mehr weiter. Jetzt fehlte nur noch der Lehrenkundige. Mit seinem Eintreffen würden Lindens Gefährten vollständig sein.
Da die Urbösen Linden in ihrer Erschöpfung leidtaten, glitt sie von Hyns Rücken, trat in ihre Mitte und sank dann langsam auf die Knie, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie blicke auf sie hinab. Auch ihre Begleiter stiegen ab, sodass nur noch Anele auf seinem Ranyhyn saß. Er ignorierte sie, wie er alles ignorierte, seit er aus seiner Höhle geschafft worden war. Seine blutige Stirn versteckte er in Hramas Mähne.
Linden zögerte einen Augenblick lang unschlüssig, aber der Druck, unter dem sie stand, ließ ihr keine Ruhe. Sie wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn, bevor sie sich an die Urbösen wandte. Sie sprach wieder halblaut bittend.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Das sage ich andauernd, nicht wahr? Diese Sache geht über meinen Horizont. Ich weiß, dass ihr erschöpft seid. Ihr habt schon mehr getan, als ich hätte erwarten dürfen. Aber ich brauche noch mehr.«
Bei dem Gedanken, mit Covenants Ring gegen das Schimmern vorgehen zu müssen, verkrampften sich ihre Magennerven.
»Können wir irgendwas für euch tun? Esst ihr Aliantha? « Sie hatte keine gesehen, aber die Ramen – oder die Ranyhyn – würden bestimmt Schatzbeeren finden können. »Braucht ihr Wasser?« Liand und die Ramen hatten mehrere Wasserschläuche bei sich. »Könnt ihr Vitrim für euch selbst machen?«
Die augenlosen Urbösen betrachteten sie mit großen Nasenlöchern, ohne eine Reaktion zu zeigen.
Also gut.
Sie konnte nicht erkennen, ob die Situation rasches Handeln erforderte oder nicht. Trotzdem war sie darauf angewiesen. Im Hintergrund ihres Verstandes lauerte eine Art Wahnsinn, der nur auf eine Gelegenheit wartete, offen auszubrechen. Sie musste etwas unternehmen, musste irgendwie zur
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