Die Runen der Erde - Covenant 07
sogar Hunderte von Meilen von dem Ort, an dem Anele ihn verloren hatte, fortgeschafft worden sein sollte.
Vor lauter Konzentration hatte sie ihre übrigen Gefährten ganz vergessen. Zum Glück dachte Stave an sie. Er wandte sich an Mahrtiir und bat den Mähnenhüter, für den Fall, dass Liand, Anele und die Seilträger Hilfe oder Anleitung brauchten, zum Talkessel zurückzureiten.
Dem Mähnenhüter widerstrebte es sichtlich, einen von Stave kommenden Vorschlag zu befolgen; er schien jedoch einzusehen, dass die Bitte vernünftig war. Indem er mehr Linden als dem Haruchai zunickte, wendete er mit seinem Ranyhyn und trabte davon, doch Linden nahm es kaum wahr. Sie hatte durch ihr Herkommen zu viel riskiert und konnte an nichts anderes denken als an die bevorstehende Suche.
Wieder begann der Elan der sich vor ihnen dahinschlängelnden Flüssigkeit zu erlahmen. Bevor sie jedoch ganz zum Stillstand kam, trafen die letzten Urbösen ein, um sie neu zu beleben. So blieb nur der Lehrenkundige zurück, um die Schatten zu befehligen.
Bis dahin war Lindens Aufmerksamkeit allein auf das Fortrücken der Schlange fixiert gewesen; sie hatte keinen Gedanken darauf verschwendet, welchen Preis die Urbösen für ihre Mühen bezahlen mussten. Sie waren zu fremdartig, um nach menschlichen Gesichtspunkten beurteilt zu werden. Jetzt sah sie jedoch, dass die Dämondim-Brut vor Erschöpfung zitterte. Selbst ihre eigenartige Natur schützte sie nicht vor Überanstrengungen und Beschränkungen durch die notwendigen, unvermeidlichen und lähmenden Strukturen der Zeit. Anfangs hatte Linden befürchtet, die Urbösen suchten den Stab des Gesetzes aus Gründen, die mit den ihrigen kollidieren könnten; jetzt aber begann sie, sich Sorgen zu machen, sie könnten erschöpft sein, bevor sie ihn fanden.
Über ihnen stand die Sonne an einem Spätnachmittagshimmel. Linden war sich vage bewusst, dass sie hungrig und durstig und selbst zutiefst erschöpft war. Seit ihrer ersten Begegnung mit Roger Covenant war sie nie mehr richtig zur Ruhe gekommen. Trotzdem fesselten die Lehre und die Bemühungen der Urbösen sie. Sie brauchte den Stab des Gesetzes so dringend, dass alle sonstigen Erwägungen dahinter zurücktreten mussten.
Vor ihr glitt die Lehren-Schlange in eine schmale Rinne hinter einem Felsvorsprung und schien dann verwirrt zu zögern, als hätte sie eine bisher verfolgte Fährte verloren, und zur selben Zeit kehrte Mahrtiir von Lindens übrigen Gefährten und einer Gruppe von Urbösen begleitet zurück.
Der Mähnenhüter berichtete in knappen Worten, als Liand, Anele und die Seilträger aus der Schlucht gekommen seien, habe der Lehrenkundige sie nach Westen geführt und dafür den Versuch aufgegeben, ganz allein den Graben zu füllen und die Schatten zu befehligen. Statt jedoch einfach bis zum Kopf der Schlange vorzugehen, hatte der Lehrenkundige schon bald haltgemacht, um die hintersten Urbösen abzulösen. Indem es dem schwarzen Fluss seine Kraft mitgeteilt hatte, hatte das größte der Urbösen-Geschöpfe andere freigesetzt, um sie die Reichweite ihrer Lehre steigern zu lassen.
Sie stolperten vor Erschöpfung, als sie nach vorn trabten. Trotzdem ließen sie sich beiderseits ihrer versagenden Lehren-Schlange unsicher auf die Knie sinken. Die Klingen in ihren Händen schienen nur mehr zu glimmen, wurden zu gewöhnlichem Eisen und nahmen nur sporadisch wieder ihre rote Glut an; aber die Urbösen machten sich gemeinsam an die Arbeit und ließen mit rauen Stimmen ihren fremdartigen Sprechgesang ertönen.
Falls Bhapa und Pahni müde oder erschöpft waren, ließen sie sich nichts davon anmerken. Vielmehr trugen sie den zurückhaltenden Stoizismus von Seilträgern in Gegenwart ihres Mähnenhüters zur Schau. Anele hing jedoch vornübergebeugt an Hramas Hals, als hätte er jegliche Hoffnung aufgegeben, und Liand versuchte nicht einmal, seine Besorgnis und sein Staunen zu verbergen, während er fassungslos die Lehren-Schlange anstarrte. Nachdem er Rhohm an Lindens Seite gelenkt hatte, sagte er: »Der Mähnenhüter glaubt, dass die Urbösen den Stab suchen.« Er sprach nur flüsternd, als hoffe er, so könnten die Geschöpfe ihn nicht hören. »Trotzdem bist du unverkennbar besorgt. Wünschst du ihre Hilfe nicht? Misstraust du ihnen, Linden?«
»Ach, ich weiß nicht recht.« Sie wusste kaum noch, was sie empfand. »Bisher war alles gut, was sie für uns getan haben. Aber ich weiß nicht, warum sie es tun. Ich habe gehört, dass sie aus einheitlichen
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