Die Runen der Erde - Covenant 07
und über die Vorberge hinweg nach Westen zu konzentrieren, sich in diese Richtung zu winden. Und während sie das taten, begann der Graben überzufließen. Zähflüssiges schwarzes Zeug floss wie eine Schlange über den Rand und wand sich über den Erdboden und durchs Gras davon, als gehorche es Befehlen der gefangenen Schatten.
Die Schlange aus schwarzer Kraft glitt zunächst langsam, dann schneller und beweglicher über den Rand der Senke und suchend weiter bergab. Kurze Zeit später war sie lang genug, um alle Flüssigkeit aus dem Graben in sich zu vereinigen. Den Urbösen gelang es jedoch, sie so rasch zu ersetzen, wie sie abfloss. Ihr Graben blieb voll, hielt die Schatten trotz der direkten Einwirkung des Sonnenlichts an ihrem Platz gefangen.
Die schwarze Schlange appellierte an Lindens Wahrnehmung und drängte sie, ihr zu folgen.
Nach einiger Zeit löste eine kleine Gruppe von Urbösen – ungefähr ein Drittel der Geschöpfe – sich aus dem Keil und trottete den sich windenden Schlangenleib entlang davon. Sie rannten nicht, bewegten sich aber rasch genug, um ihre flüssige Kraft zu überholen. Jeder von ihnen trug einen eisernen Dolch mit hochroter Klinge, die hell wie brennendes Blut leuchtete.
Mit bewusster Anstrengung löste Linden sich aus ihrer Erstarrung. Falls die Lehre der Urbösen den Stab des Gesetzes auf diese Weise aufspüren konnte, wollte sie auf keinen Fall untätig zurückbleiben. »Los, kommt!«, murmelte sie Mahrtiir und Stave zu, bevor sie Hyn antrieb. »Wir sollten nachsehen, wohin das Zeug fließt.« Die Stute begann gehorsam um die Senke zu traben und die Verfolgung der Urbösen aufzunehmen.
Die schwarze Schlange schien nun weniger rasch zu fließen. Vielleicht war ihre Beweglichkeit von der Entfernung von dem Kreis und den Schatten abhängig. Oder vielleicht hatte sie abgenommen, weil sie jetzt von weniger Gestalten genährt wurde. Trotzdem hatte sie schon einen Einschnitt zwischen den Hügeln überwunden, schlängelte sich den Gegenhang hinauf und suchte das Gelände zwischen Felsbrocken und Grasbüscheln ab, als sei sie sich ihres Weges nicht sicher.
Dort holten die ihr nachgeeilten Urbösen die Schlange ein. Sie stellten sich sofort in der Nähe ihres Kopfs auf, je vier auf beiden Seiten, und ließen sich einander zugewandt auf die Knie nieder. Ihre Stimmen – misstönend wie Krähengekrächze – erklangen laut, als jeder seinen Dolch in den flüssigen Körper der Schlange stieß.
Neue Kraft pulsierte in der Luft; die Schlange wand sich, als sei sie angestachelt worden. Dann schlängelte sie sich rascher und zielbewusster weiter, während die Urbösen auf den Knien verharrten. Der Kurs der schwarzen Schlange war jetzt fast genau nach Westen gerichtet, wo die Berge allmählich nach Süden zurückwichen. Deshalb sank der Pfad der Schlange langsam zu den Südlandebenen hinab und führte Linden und ihre Gefährten tiefer und tiefer in die aufgestaute Sommerhitze.
Während sie weiterritt, wurde die Feuchtigkeit in Lindens Augen durch Schweiß ersetzt. Da sie sonst nichts tun konnte, fuhr sie sich mit dem Blusenärmel über die Augen und konzentrierte sich auf den gewundenen Verlauf der Suche. Bald begann die sich dahinschlängelnde Schwärze erneut zu erlahmen, weil ihre Dehnung sie schwächte. Wenig später kamen jedoch acht weitere Urböse von den Hügeln heruntergetrabt – von dem Lehrenkundigen und dem schrumpfenden Keil entsandt, um die Reichweite ihrer Kraft zu steigern. Auch diese Geschöpfe knieten in zwei Reihen hinter dem Kopf der Schlange nieder, um ihre glühenden Dolche in ihr flüssiges Fleisch zu stoßen, und nochmals strömte die schwarze Flüssigkeit mit frischer Kraft weiter.
Leise, weil sie fürchtete, sie könnte die Konzentration der Urbösen stören, fragte Linden Stave: »Wie lange können sie das noch durchhalten?«
Sie erwartete keine Antwort, aber ihre aufgestaute Anspannung brauchte ein Ventil. So weit das Auge reichte, erstreckten sich die hügeligen Ausläufer des Südlandrückens: verknittert wie eine zu Boden gefallene Decke und vollkommen merkmalslos – Höhlen oder Niederwald, Schluchten, Hohlräume unter Felsstürzen –, in denen der Stab hätte versteckt sein können.
Der Meister zuckte mit den Schultern. »Sie sind Dämondim-Brut. Wer kann den Umfang ihrer Lehre ermessen? Die Haruchai haben sie im Dienst des Vernichters schon größere Leistungen vollbringen gesehen.«
Linden wusste keinen Grund, weshalb der Stab nicht Dutzende oder
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