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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Dämondim trampelte, gesellten sich weitere – zwei oder drei – Ranyhyn zu ihr; aber im silbrigen Feuer von Covenants Ring nahm Linden sie nur flüchtig wahr. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie noch Reiter trugen.
    Dann stürzte sie sich in die Zäsur, als sei sie ein See aus Albträumen.
    Im nächsten Augenblick schienen unaussprechliche Qualen sie mit Haut und Haar zu verschlingen. Und während die brodelnde Pein über ihrem Kopf zusammenschlug, begann sie zu ertrinken.
    In diesem Augenblick hatte sie keinen Grund zu der Annahme, sie habe nicht allen, die sie liebte, den Tod gebracht.

9

Verfolgung
     
     
    Die unaussprechlichen Schmerzen im Inneren der Zäsur waren die gleichen wie zuvor: der Orientierungsverlust, die Sinnenverwirrung. Wie beim ersten Mal war Linden in der gleichzeitig ablaufenden Zertrümmerung allzu vieler Realitäten gefangen. Jeder Augenblick, der auf dem Pfad der Zäsur jemals kommen und vergehen würde, wurde losgerissen und ihr wie ein blutiger Fleischbrocken ins Gesicht geschleudert; und jeder Brocken des zerfetzten Fleisches der Zeit verwandelte sich beim Auftreffen in ein gefräßiges Insekt, eine Wespe oder Insektenlarve, die durch Trennung wütend gemacht nur noch den Wunsch hatte, ihre Verderben bringenden Eier in ihr abzulegen. Gleichzeitig wurden alle erkennbaren Wahrnehmungen und Strukturen fortgewischt, sodass nur weiße Leere und endlose Kälte zurückblieben.
    Linden, die in der Not der ganzen Welt zu ertrinken drohte, hätte einmal mehr leicht untergehen oder den Verstand verlieren können. Aber selbst Wahnsinn und Tod erforderten Kausalität, zeitliche Abfolge und Zusammenhänge – und die Zäsur hatte sämtliche Verbindungen zerstört, die solche Abfolgen ermöglicht hätten.
    Trotzdem unterschied diese Erfahrung sich grundlegend von ihrem ersten derartigen Eintauchen. Diesmal brauchte Linden die Strömungsrichtung der Verzerrung nicht umzukehren. Und sie musste auch nicht darauf vertrauen, dass die Urbösen der Zäsur ihren Willen aufzwingen würden. Stattdessen konnte sie zulassen, dass die schreckliche Gewalt der Zäsur sie ihrer eigenen seltsamen Logik folgend durch die Zeit weitertrug. Die auf Erdkraft basierenden Instinkte der Ranyhyn würden ihre Erlösung bewirken.
    Außerdem blieb ihr eine weitere Begegnung mit Joan Covenants wahnsinnigem Kummer erspart. Irgendwo stand Joan weiter zwischen den ihr dienenden Skest und griff mit wilder Magie und Selbsthass aus, um ihre unendlichen Schmerzen zu benennen. Aber sie hatte diese Zäsur nicht erschaffen, bewohnte sie nicht; ihr Wüten wurde nicht von Joans Wahnsinn beeinflusst.
    Und Linden genoss einen weiteren Vorteil: Covenants Ring leuchtete weiter wie ein Leuchtfeuer durch den Stoff ihrer Bluse und zeigte ihr den Weg zum Überleben. Wilde Magie, die ebenfalls keinen Einschränkungen unterlag, war in gewisser Beziehung ebenso zerstörerisch wie eine Zäsur. Daher besaß sie die Kraft, die Beschränkungen der Zeit zu überwinden. Aus demselben Grund bildete Weißgold jedoch den Schlussstein des Bogens der Zeit. Seine zügellose Leidenschaft verankerte das Paradoxon, das eine endliche Existenz inmitten des unendlichen Universums ermöglichte.
    Gleichzeitig verankerte die heiße Glut von Lindens Herz sie in sich selbst und ermöglichte ihr, weiter sie selbst zu sein, obwohl jedes kleinste Teilchen, jedes Partikel ihrer selbst in Stücke gerissen worden war.
    Innerhalb der Zäsur konnte nichts von Dauer sein. Nichts war möglich außer verzehrendem Schmerz und unvorstellbarer Kälte und Verwüstung, und deshalb verstrich kein greifbares Zeitintervall, bevor Hyn alle Qualen im Galopp hinter sich ließ und Linden in eine Flut aus Sonnenlicht und blendender Helligkeit hinaustrug.
    Sie waren in sanft ansteigendem Gelände angekommen, dessen Grasnarbe unter den Hufen der Stute dröhnte.
    Weil Linden verankert gewesen war und noch immer von wilder Magie leuchtete, hatten ihre Reise durch die Zeit und die erlittenen Qualen sie nicht überwältigen können. Sie konnte weiterhin denken und fühlen und entscheiden. Obwohl das gleißend helle Sonnenlicht sie zunächst blendete, griffen ihre übrigen Sinne wachsam aus. Mit den Hautnerven spürte sie, dass Stave, dem die Qualen der Zäsur nichts hatten anhaben können, in alter Stärke neben ihr herritt. Auf der anderen Seite hielt Liand, der den Stab des Gesetzes grimmig umklammerte, sich weiter auf Rhohm. Weil er den Schutz seiner warmen Klarheit genossen hatte, war er

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