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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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jetzt nicht auf nebensächliche Einzelheiten ihrer Situation achten. Sobald sie die Tür gefunden hatte und das silbrige Feuer von Covenants Ring wie befreit hervorbrechen fühlte, schloss sie die Augen noch fester, zog sich noch mehr in sich selbst zurück und schärfte ihre Konzentration weiter, bis sie einen Punkt wie eine Dolchspitze bildete.
    Mit diesem empfindlichen Werkzeug sondierte sie die notwendige Struktur der Zeit.
    Sofort empfand sie, wie unrecht alles war, was sie hier tat. Sie versuchte einen Eingriff, der so grausam wie eine Besitzergreifung oder Vergewaltigung war. Auf einer Ebene, die für Worte oder auch nur Verständnis zu tief war, schien sie zu fühlen, wie das Gewebe der Zeit vor Entsetzen erzitterte. Unterlief ihr auch nur der geringste Fehler, würde die gesamte Realität in Fetzen davonfliegen, und der schrille Ton ihres Zerreißens würde der letzte Laut sein, den die Welt jemals hörte.
    Trotzdem wich sie jetzt nicht zurück. Sie war Linden Avery die Auserwählte, und sie war entschlossen, sich gegen das Verderben des Landes zu bewähren. Lord Foul hatte sie gelehrt, das eigene Potenzial zum Bösen zu erkennen. Sie konnte weiterhin fürchten, was möglicherweise passieren würde; aber sie hatte keine Angst mehr vor sich selbst. Sie musste ihre Macht und ihre Sinne so scharf fokussieren, dass sie imstande war, die Ligaturen zu erkennen, die jeden Augenblick mit dem nächsten verbanden: die sequenziellen Bande, die sicherstellten, dass ein Herzschlag, ein Gedanke, ein Ereignis dem anderen folgte. Konnte sie die fortwährenden, vergänglichen, unvermeidlichen Übergänge aufspüren, die die Zeit definierten, konnte sie dort ihr Feuer anwenden, um zu durchtrennen, was ...
    ... um einen Augenblick vom nächsten zu isolieren. Eine Zäsur bewirken, wie Joan es tat, wenn ihr Wahn sie dazu veranlasste, sich selbst zu schlagen.
    Trotzdem wusste Linden, dass es nicht genügen würde, einfach Joan nachzuahmen, indem sie ihre Wahrnehmung einschränkte und sich darauf konzentrierte, was Joan diese Macht verlieh. Ihre Aufgabe war komplexer. Auch während sie Joans Wahn imitierte, musste ihr bewusst bleiben, dass sie Böses tat. Sie musste die möglichen Folgen bedenken.
    Deshalb versetzte sie sich absichtlich in den Augenblick zurück, in dem sie die Zäsur betreten hatte: als das Ameisenkribbeln ihre Welt so beherrscht hatte, dass sie außer gestaltloser frostiger Weiße und Joans Qualen nichts wahrgenommen hatte. Diese Pein erlitt sie in Gedanken erneut, während sie ihre Silbrigkeit mehr und mehr auf die Lücke zwischen Augenblicken konzentrierte. Mit jedem keuchenden Atemzug durchlitt sie die überstandenen Qualen nochmals.
    Die Schmerzen halfen ihr, sie selbst zu bleiben. Sie erinnerten Linden daran, dass sie nicht Joan war – dass sie bereit war, den Preis für die eigenen Taten zu zahlen. Sie hatte einfach zu viele, zu anspruchsvolle Wünsche. Zahllose Urböse waren ihretwegen gefallen, und die meisten Wegwahrer würden folgen. Ihre Freunde würden sterben. Der Stab des Gesetzes konnte zerstört werden. Auch sie selbst konnte trotz all ihrer Macht fallen und so Jeremiah und das Land der Heimtücke Lord Fouls überantworten. Und das alles nur, weil sie gewagt hatte, ihre angestammte Zeit zu verlassen. Im Vergleich zu den potenziellen Kosten eines Versagens waren die Qualen und das Böse, ohne die sich keine Zäsur erschaffen ließ, ein Preis, den Linden zu zahlen bereit war.
    Irgendwo außerhalb ihres Wahrnehmungsbereichs flackerte und wütete Smaragdgrün, schleuderte Ankündigungen von Bösartigkeit in die verratene Nacht. Die Wegwahrer wurden zurückgedrängt; die Wogen ihrer Theurgie, Druckwelle nach Druckwelle wie Brecher im Orkan, reichten kaum zu ihrer Verteidigung aus; die Wegwahrer konnten nicht länger standhalten. Die Vitriolexplosionen der Urbösen waren jämmerlich kurz und schwach geworden – zu unbedeutend, um die Dämondim behindern zu können. Das tödliche Schimmern der Angreifer fegte jeglichen Widerstand beiseite.
    Mahrtiir und sein Ranyhyn, die diesen ungleichen Kampf beobachteten, konnten sich nicht länger beherrschen. Mit einem schrillen Kriegsruf preschte der Mähnenhüter den Hügel hinab. Pahni und Naharahn galoppierten sofort hinter ihm her, während Bhapa auf Whrany ihnen kaum langsamer folgte. Pahni nahm Mahrtiirs Kriegsruf mit ihrer hellen Mädchenstimme auf; Bhapa dagegen blieb still.
    Nur Whranys flinke Geschicklichkeit ermöglichte es dem Seilträger, auf seinem

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