Die Runen der Erde - Covenant 07
Rücken zu bleiben. Weil er seine Garrotte nicht benutzen konnte und entsetzlich schwach war, konnte Bhapa nicht kämpfen. Trotzdem galoppierte er hinter Pahni und seinem Mähnenhüter her und vertraute darauf, dass Whranys Hufe für ihn zuschlagen würden.
Liand wäre den Ramen wahrscheinlich in den Kampf gefolgt, aber seine Verantwortung für den Stab hielt ihn zurück. Stave wich nicht von Lindens Seite, und auch Anele blieb, wo er war: in seinen zwecklosen Verwünschungen gefangen. Falls die Angriffswelle bis zu ihr hinaufbrandete, würde Linden, würde der Stab des Gesetzes nur von einem unerfahrenen Steinhausener, einem Wahnsinnigen und einem einzelnen Haruchai verteidigt werden.
Mit irgendeinem Teil ihres Verstandes musste sie sich ihrer Gefährten und der Dämondim bewusst sein; musste die Nähe des Weltübel-Steins und das stattfindende Massaker spüren. Ihr Bewusstsein, dass die Zeit drängte, wurde mit jeder Sekunde stärker, und das weiße Feuer aus Covenants Ring stieg höher in die Dunkelheit auf und tauchte die kahlen Hügel und das Getümmel auf dem Schlachtfeld in grelles Licht. Doch die nahe Gefahr stärkte nur ihre Konzentration, ließ sie tiefer in ihre Aufgabe eindringen.
O Gott, es ist so schwierig!
Um die Zeit vergewaltigen zu können, musste sie sämtliche Instinkte für Heilung und Gesundheit schänden, die ihr bisheriges Leben geprägt hatten. Zäsuren waren böse: Sie griffen die Grundlagen jeglicher Existenz an. Und Linden hatte ihr ganzes Leben lang zu heilen versucht, statt zu zerstören.
Doch sie blieb standhaft, kannte die Tiefe der Bösartigkeit des Verächters. Sie spürte die Lust und den Hass der Dämondim und die zerstörerische Kraft des Weltübel-Steins. Sie begriff, was geschehen würde, wenn sie zuließ, dass solcher Hunger ungehindert befriedigt wurde, und ihr ganzes Wesen bäumte sich dagegen auf.
Und Liand hatte den Stab des Gesetzes für sie in Verwahrung genommen, das einzige Machtinstrument im ganzen Land, das vielleicht imstande sein würde, das Übel einer Zäsur aufzuhalten oder einzudämmen. Ließ er sie nicht im Stich, durfte sie hoffen, es werde ihr gelingen, das Böse, das sie bewirken wollte, einzugrenzen.
Schuld ist Macht. Nur die Verdammten können gerettet werden.
Als Linden bereit war, richtete sie einen stummen Hilferuf an Hyn und die übrigen Ranyhyn. Ohne ihre Unterstützung würde sie ihr Ziel nicht erreichen können. Dann setzte sie jäh eine Stichflamme aus silbrigem Feuer frei, das die Nacht zerriss, und aus dem zerfetzten Dunkel quoll das Chaos hervor. Ein gewaltiger Wirbel aus Verzerrung erschien in der Nacht: zerstörerisch wie ein Tornado, verrückt machend wie ein Wespenschwarm. Er brodelte vor Kraft, als sei jede Verbindung, jede Lücke der materiellen Realität beseitigt worden.
Die Erinnerung an durchlittene Qualen ließ Lindens Nerven erzittern, als sie sah, dass sie Erfolg gehabt hatte.
Die Zäsur brodelte kaum einen Steinwurf entfernt rechts von ihr. Sie schien mit einer Art grausiger Nonchalance auf Linden zuzutreiben, als wäre sie sich ihrer Macht sicher und habe es nicht eilig, ihre Opfer zu verschlingen.
Stave blaffte eine Warnung, und Liand rief ihren Namen; aber sie hörte die beiden kaum. Mit einer befehlenden feurigen Geste wilder Magie lenkte sie die Zäsur um, schickte sie wie eine Lawine, die sich in Zeitlupe bewegte, mitten ins Kampfgetümmel.
Gleichzeitig erfüllte Linden sie mit solchem Feuer, dass sie sich über den Erdboden hinweg ausdehnte und immer mehr und mehr anschwoll, bis sie riesig genug war, um die gesamte Dämondim-Horde zu verschlingen. Dann trieb sie Hyn an, der Zäsur zu folgen.
»Zu mir!«, rief Linden mit der Stimme der Silbrigkeit, als die Stute angaloppierte.
Sie konnte nur hoffen, dass die Urbösen und Wegwahrer sie im Kampfgetümmel hören und dass Mahrtiir und seine Seilträger noch lebten und ebenfalls reagieren würden.
Stave und Liand ritten auf beiden Seiten neben ihr; silbernes Feuer beleuchtete die ernste Konzentration auf dem Gesicht des Meisters, und Liand umklammerte grimmig den Stab, als könnte er mit ihm seiner Angst vor der Zäsur trotzen. Hinter ihnen folgte Hrama, der Anele trug, ohne sich darum zu kümmern, ob der Alte mitkommen wollte oder nicht.
Linden erkannte Wegwahrer, die auf allen vieren zu ihr geeilt kamen. Zwischen ihnen tauchten einige wenige Urböse auf, die über und über mit nachtschwarzem Blut bespritzt waren. Als Hyn in die dicht gedrängte Masse der
Weitere Kostenlose Bücher