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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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durchdringen.
    Und wie die Smogwolken war sie unrecht. Sie störte Lindens Wahrnehmung auf ähnliche Weise, aber viel intensiver, als sei sie die destillierte Essenz einer Störung. In diesem Wirbel waren die Naturgesetze, die den Fortbestand der Welt ermöglichten, außer Kraft gesetzt oder verzerrt: Die Realität schien fließend geworden zu sein und mit Irrealem zu verschmelzen wie die Verwirrung in Joans Verstand. Jedes Lebewesen, das der Wirbel verschlang, wäre wahrscheinlich zerfetzt worden.
    Und die Erscheinung bewegte sich; sie rückte entlang des Steilabfalls auf den Kevinsblick zu. Bald würde sie nahe genug herangekommen sein, um den Felsturm zu berühren.
    Vor Verzweiflung stöhnend, wand Anele sich in Lindens Händen. Jetzt verstand sie seine Reaktion. Kam diese Aura in ihre Nähe, würde sie sich vielleicht selbst vom Kevinsblick stürzen.
    »Lass Anele los!«, keuchte er drängend. » Es verfolgt ihn! Er muss entkommen!«
    Seine panische Angst half ihr, die eigene zu überwinden. Verfolgt ihn?, dachte sie grimmig. Das war unwahrscheinlich. Seine geistige Verwirrung hatte ihn irregeführt. Diese tödliche Aura hatte kein Interesse an ihm. Sie hatte kein Interesse an irgendetwas; kein Bewusstsein und keinen Willen. Das sagten ihre Sinne ihr deutlich. Es glich einer grausig pervertierten Naturgewalt; blind, gefühllos, ganz und gar zerstörerisch.
    Dennoch rückte es weiter gegen den Felsturm vor, kam mit jedem Schlag ihres Herzens näher.
    »Anele, nein!«, rief sie mit aller Autorität, die sie aufbringen konnte. »Nicht!« Sie kehrte der Aura bewusst den Rücken zu, um ihn besser festhalten zu können. »Ich habe versprochen, dich zu beschützen. Das kann ich nicht, wenn du springst.«
    Seine weißen, starr blicklosen Augen glänzten feucht, als schwitzten sie vor Angst. Wieso glaubte er, die naturwidrige Verzerrung habe es auf ihn abgesehen? Aber sie konnte ihre Fragen nicht so in Worte kleiden, dass er imstande gewesen wäre, sie zu beantworten. In dem Bewusstsein, dass der Wirbel hinter ihr heranrückte, konnte sie kaum klar denken. Und er kam mit jedem Augenblick näher. Während sie Anele weiter festhielt, schob sie ihre Verwirrung beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf die Erinnerung an ihren Sturz in diese Welt. Auf die Erinnerung an wilde Magie.
    Unter ihren Stiefeln schien der Fels vor Erwartung oder Grauen zu zittern.
    Sie hatte ihre Verletzungen irgendwie geheilt. Trotzdem war wilde Magie an sich nicht für Heilzwecke geeignet. Ihre Tendenz, außer Kontrolle zu geraten, schränkte ihren Gebrauch für gewöhnliche, sterbliche Zwecke stark ein. Linden wusste nicht, ob sie die Aura mit Weißgold abwehren konnte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie sein Feuer bewusst hervorrufen konnte. Aber sie zweifelte nicht daran, dass Anele und sie sterben würden, wenn dieser brodelnde Wirbel sie erfasste.
    Von Sekunde zu Sekunde rückte die Aura näher. Gleichzeitig wurde das Zittern des Felsens stärker, insistierender. Schon zuvor hatte sie in dem Felsturm einen Makel, eine Andeutung von Zerbrechlichkeit gespürt. Ihr Gesundheitssinn hatte sie gewarnt, dass der Kevinsblick beschädigt war. Nun beeinträchtigte seine Instabilität ihren Gleichgewichtssinn; sie taumelte nur nicht, weil sie weiter grimmig Aneles Schultern umklammerte.
    Linden hatte sich nicht vorstellen können, welche Art Kraft den Felsturm so beschädigt hatte. Jetzt wusste sie es.
    Diese Aura war nicht die einzige Erscheinung ihrer Art. Oder sie existierte schon lange – sehr lange – und zog durch das Land, wie ihre Energien es ihr diktierten. In irgendeiner Form war sie schon einmal hier gewesen, hatte den Kevinsblick bereits einmal fast zum Einsturz gebracht. Selbst durch die Sohlen ihrer Stiefel hindurch versicherte das Zittern des Gesteins Linden, dass die nächste Berührung die letzte sein würde. Und in wenigen Augenblicken würde der Wirbel den Fuß des Felsturms erreichen.
    »Anele!«, schrie sie verzweifelt. »Stell dich hinter mich! Halt dich an mir fest! Lass nicht los, was auch passiert! Gleich geht es abwärts! «
    Sie riss ihn mit aller Kraft zur Seite, sodass sie zwischen ihm und der Gefahr stand, und er gehorchte ihrem verzweifelten Befehl, schlang seine Arme um ihren Hals, hielt sie in panischer Angst umfangen. Als er den Kopf seitlich an ihren heranbrachte, klang sein Keuchen in ihrem Ohr wie ein Todesröcheln.
    Die Aura rückte wild brodelnd an den Fuß des Felsturms heran; hüllte ihn ein. Einen

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