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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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hinsah, erkannte sie, dass seine Blindheit tiefere Ursachen hatte. Sein Verstand schien seine Sehfähigkeit verworfen zu haben. Auf irgendeine Weise – vielleicht durch Erdkraft – hatte er sich selbst geblendet.
    Linden überlegte. Mit dem Stab des Gesetzes hätte sie ihn vielleicht heilen können. Seine Arthritis hätte sie zweifellos lindern können. Aber mit Covenants Ring? Bei sich selbst hatte sie seine Kraft erfolgreich angewandt. Trotzdem wusste sie kaum, wie ihr das gelungen war. Und sie hatte sich von ihrem instinktiven Wissen um ihren eigenen Zustand leiten lassen können. Aber im Fall dieses zerlumpten Alten? Sie besaß wenig Erfahrung mit wilder Magie, wusste nicht einmal sicher, ob sie sie anwenden konnte, wann es ihr gefiel. Und sie hieß nicht ohne Grund wilde Magie: Sie tendierte stets zu Steigerung, zügellosem Feuer, Chaos. Nach seiner Konfrontation mit dem Sonnenübel hatte Covenant auf den Gebrauch solcher Macht verzichtet. Er hatte befürchtet, sie könnte über die Grenzen seines Beherrschungsvermögens hinauswuchern, weiterwüten und anwachsen, bis der Bogen der Zeit zerstört und der Verächter freigesetzt war. Linden würde sie nicht präzise genug einsetzen können, um der jämmerlichen Gestalt vor ihr zu helfen. Und überdies: Hatte er seine Sehfähigkeit verworfen, wünschte er vielleicht keine Hilfe.
    Trotzdem wollte sie ihm als Ärztin auf irgendeine Weise zu Hilfe kommen, obgleich ihre Umstände – und offenbar auch seine – so verzweifelt waren. Sie verdrängte ihr Erstaunen über seine Anwesenheit, räusperte sich und sagte vorsichtig: »Versuch nicht, dich zu bewegen. Du bist zu schwach – und dieser Ort ist nicht gerade sicher. Ich bin hier. Ich will versuchen, dir zu helfen.«
    Als Reaktion darauf hob er ihr das zerschlagene Gesicht mit den blinden Augen entgegen. »Beschütze Anele.« Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, vor Erschöpfung brüchig, durch Nichtgebrauch unsicher. »Beschütze ...«
    »Das werde ich tun«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Das ist mein Wunsch. Ich werde tun, was ich kann. Aber ...«
    Wer oder was war Anele?
    Als hätte sie nicht gesprochen, stöhnte er: » Sie suchen ihn. Es verfolgt ihn. Ständig wird er verfolgt. Wenn sie ihn einfangen, wird er ihm nicht entkommen können. Seine letzte Hoffnung. Armer Anele, der sein Geburtsrecht verloren hat und keinem schadet. Sein heiliges Pfand ...« Er streckte eine zitternde Hand nach ihr aus. »Beschütze.« Ein Laut wie ein staubiges Schluchzen entrang sich seiner Brust.
    »Das werde ich tun«, wiederholte sie, diesmal nachdrücklicher. »Du bist nicht allein.« Sie hatte zu viele Fragen – und der Alte war offensichtlich nicht in der Verfassung dazu, sie zu beantworten. »Wir sind hier in Gefahr. Ich traue diesem Felsturm nicht. Und der einzige Weg nach unten führt über die Treppe, die du heraufgekommen bist. Aber ich bin sicher, dass ich etwas für dich tun kann.«
    Covenants Ring würde sich irgendwie als nützlich erweisen.
    »Macht«, krächzte der Alte, »ja. Anele spürt sie. Er ist heraufgestiegen, um sie zu finden.« Auf den Knien liegend rutschte er zu ihr hinüber und tastete mit seiner knorrigen Hand, bis er ihren Arm berührte. Dann zuckte seine Hand jedoch zurück, als fürchte er, anmaßend zu erscheinen – oder habe Angst davor, sie mehr als nur flüchtig zu berühren.
    » Sie suchen ihn«, brachte er erbärmlich hervor, »aber Anele trickst sie aus. Man kann sie ein bisschen reinlegen.« Er berührte nochmals bittend ihren Arm – und fuhr auch diesmal zurück. »Aber es lässt sich nicht austricksen. Es weiß, wo Anele ist. Es verfolgt ihn. Wenn es ihn sich schnappt ... Verloren! Alles verloren!« Ein weiteres Schluchzen ließ seine Stimme brechen. »Anele ist hochgeklettert. Sein letzter Trick. Kommt es ihm nahe, springt und bleibt tot liegen.«
    Seine Verzweiflung rührte an Lindens Herz. »Anele«, sagte sie, denn sie war sich jetzt seines Namens sicher, »hör mir zu. Ich bin hier. Ich tue, was ich kann. Spring nicht!«
    Sie hatte schon zu viel Fallen gespürt.
    Seine Hand tastete unbeholfen nach ihr und zuckte erneut zurück, als fürchte er sich, ihr zu glauben. »Verloren«, wiederholte er. »Alles verloren.«
    »Ich verstehe«, erklärte sie ihm, obwohl sie nichts verstand, nichts verstehen konnte. »Ich bin hier. Was auch passiert, du bist nicht allein.«
    Er starrte sie mit blicklosen Augen an, als sei sie die geistig Verwirrte, nicht er.
    »Aber du musst mir ...«,

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